Anita Blake 11 - Jägerin des Zwielichts
brauche jetzt keine Philosophiestunde, Rafael.«
»Doch die brauchst du, und zwar dringend. Aber ich werde es lassen, wenn es dir so stark zusetzt.«
»Bei mir brauchen Sie gar nicht erst anzufangen«, sagte Reece. »Mir wurde schon mein Leben lang gepredigt, dass ich angeblich gesegnet und nicht verflucht bin. Wenn meine zahlreiche Familie mich nicht überzeugen konnte, werden Sie das auch nicht schaffen.«
Rafael zuckte mit den Schultern und wandte sich wieder mir zu. »Reden wir über was anderes, denn wir sind gleich da. Ich habe gesehen, dass dich Micahs Tier durchstreift hat, und dein Tier hat darauf angesprochen.«
»Du hast das gesehen?«, fragte ich verblüfft.
Er nickte. »Seine Energie ist deutlich blau, und deine ist sehr rot, und sie haben sich vermischt.«
»Was kam raus? Violett?«
Micah hielt mich stärker fest, vermutlich eine Ermahnung, nicht so schnippisch zu sein. Aber Rafael wurde direkter: »Lass die Scherze, Anita. Wenn ich es sehen kann, dann auch Richard.«
»Er ist mein Nimir-Raj«, sagte ich.
»Versteh doch, Anita. Micah hat das Gerede über Muttermale in Schwanenform für Märchen gehalten. Und ich dachte immer, dass das schicksalhaft füreinander bestimmte Paar ein Märchen ist. Bis heute hielt ich das für romantischen Quatsch.« Dann wurde aus seinem Ernst heiliger Ernst. »Man spürt das Band von Anfang an, so heißt es in den Geschichten, aber erst nach dem ersten Sex können die beiden Tiere durch den Körper des anderen streifen. Nur physische Intimität ermöglicht solche metaphysische Intimität.«
Ich wich diesem harten, fordernden Blick aus, zwang mich aber schließlich, ihn anzusehen. »Was verlangst du von mir, Rafael?«
»Ich verlange nichts, ich will dir nur etwas begreiflich machen, nämlich dass ich weiß, dass du mit Micah Sex hattest und dass das Richard nicht gefallen wird, obwohl er mit dir Schluss gemacht hat und öffentlich erklärt, dass ihr nicht mehr zusammen seid.«
Das war eine Untertreibung. Ich löste mich von Micah, und er ließ mich ohne Zögern los. Das brachte ihm bei mir einige Extrapunkte ein. »Richard hat mit mir Schluss gemacht, nicht ich mit ihm. Er hat kein Recht, jetzt zickig zu werden.«
»Wenn er sie verlassen hat, ist sie frei und kann tun, was sie will«, stimmte Reece zu. »Der Ulfric hat sich das selbst zuzuschreiben.«
»Was Sie sagen, ist völlig vernünftig. Aber seit wann diktiert die Vernunft, was ein Mann tut, der seine große Liebe im Arm eines anderen sieht?« Rafaels bitterer Ton ließ mich aufhorchen. Ich forschte in seinem Gesicht. Er klang, als spräche er aus Erfahrung.
»Da ich Nimir-Ra bin, hat er als Ulfric mir gegenüber keine Autorität.«
»Dieser Abend wird schon gefährlich genug, Anita. Du musst Richard nicht auch noch wütend machen.«
»Ich will die Dinge nicht noch schlimmer machen, als sie schon sind. Ganz bestimmt nicht.«
»Du bist wütend auf ihn, weil er Schluss gemacht hat«, sagte Rafael.
Ich wollte nein sagen, merkte aber, dass er recht hatte. »Kann sein.«
»Du willst ihn kränken.«
Wieder wollte ich nein sagen, stutzte aber und dachte nach. Ich horchte in mich hinein. Ich war wirklich wütend und gekränkt, weil er mich so einfach abserviert hatte. Na gut, so einfach auch wieder nicht, aber trotzdem ... »Ja, ich bin gekränkt, und vielleicht möchte ich ihn auch dafür bestrafen, aber es geht nicht nur darum. Es geht auch um das Chaos, das er im Rudel angerichtet hat. Er hat Leute in Gefahr gebracht, an denen mir liegt, und kommt mir wie üblich mit seinen Idealen von Anständigkeit, die schon im menschlichen Zusammenleben nicht funktionieren. Wie sollen sich die denn in einem Haufen Werwölfe durchsetzen lassen? Ich bin es leid, Rafael, ich bin das alles dermaßen leid, und ihn auch.«
»Das klingt, als hättest du mit ihm Schluss gemacht, wenn er dir nicht zuvorgekommen wäre.«
»Ich bin von Tennessee zurückgekommen, um die Beziehung zu kitten, um zu sehen, ob es nicht doch mit uns klappen kann. Aber er müsste seinen komischen Moralkodex aufgeben, der bisher weder für ihn, noch für andere gut gewesen ist.«
»Dazu müsste er ein völlig anderer Mensch werden.«
»Ich weiß«, sagte ich und fühlte mich sofort noch schlechter. »Er kann sich nicht ändern, und wenn er bleibt, wie er ist, wird es ihn das Leben kosten.«
»Und deins und Jean-Claudes vielleicht auch«,
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