Anita Blake 11 - Jägerin des Zwielichts
Werratte ist nicht klein, Mr. Reece. Im Gegensatz zu unseren Namensvettern haben wir die Größe eines Raubtiers.«
Jetzt sah Reece uns böse an. Kopfschüttelnd beugte er sich vor und hielt mir sein Handgelenk vors Gesicht. »Na los, schnüffeln Sie. Das scheinen Sie ja alle zu mögen.«
»An Ihrer Stelle würde ich das nicht tun«, warnte ihn Rafael.
»Hören Sie auf ihn, Reece«, stimmte auch Micah mit ein.
Ich sagte gar nichts, denn der Geruch seines Fleisches aus dieser Nähe war berauschend. Es wirkte wie ein exotisches Parfüm zwischen seidenen Bettlaken vermischt mit dem Duft von frisch gebackenem Brot und einem süßen Gelee auf einer Scheibe Fleisch. Ich konnte es nicht weiter beschreiben, aber es war das Beste, was ich je in meinem Leben gerochen hatte.
Ich hielt sein Handgelenk fest und drückte die dünne Haut an meine Lippen, ehe ich ganz begriff, was ich tat. Die Haut war so zart, papierdünn. Ich wollte mehr als nur dran schnuppern. Ich wollte schmecken, sein Fleisch zwischen den Zähnen spüren, das warme Blut in meinen Mund strömen lassen ... ich fuhr zurück und kroch buchstäblich über Micah hinweg, um mich in die andere Ecke der Sitzbank zu kauern, so weit wie möglich von dem Schwanenkönig weg, ohne rausspringen zu müssen.
Mein Gesichtsausdruck dabei musste ihn doch erschreckt haben, denn er riss die Augen auf und öffnete ein wenig die Lippen. »Mein Gott, Ihre Selbstbeherrschung ist wirklich schwach.«
»Tut mir leid«, brachte ich hervor.
»Wollen Sie sich wirklich unter Hunderte von unseresgleichen wagen?«, fragte Rafael.
»Ich lasse mich nicht ins Bockshorn jagen«, sagte Reece. »Sie werden mir nichts tun. Nach allem, was ich über Anita und Sie, Rafael, gehört habe, sind Sie vertrauenswürdig.« Sein Blick huschte zu Micah. »Ihn kenne ich zwar nicht, aber die Schwäne haben ihre Loyalität nie jemandem angedient. Wir sind immer autonom gewesen. Dass ich jetzt Anita und ihr Rudel unterstütze, wird den Wölfen einiges sagen. Als Schlachtverbündete mögen wir schwach sein, aber dass sich eine andere Tierart mit ihrem Rudel verbündet, wird für den Ulfric ein starkes Zeichen sein.«
Ich kauerte an der Tür und schlang die Arme um die Knie, was mit einem Schulterholster nicht wirklich bequem war. Ich hielt mich quasi selbst fest. Wie sollte ich den Abend überstehen, ohne etwas Peinliches oder Tödliches zu tun? Wie viel schwächer konnte meine Selbstbeherrschung noch werden?
»Der vorige Schwanenkönig war der inzwischen verstorbenen Lupa verpflichtet«, sagte Rafael.
»So hörte ich. Allerdings war er eigentlich ein Schwanenprinz, kein König. Ich weiß nicht, was er der damaligen Lupa schuldete, aber ich tippe auf Erpressung, denn mir sind ein paar Polaroids in die Hände gefallen, bei denen Sie erröten würden.«
Ich musste mich zweimal räuspern, bevor ich sprechen konnte. »Kaspar weigerte sich, in Rainas dreckigen Filmen aufzutreten, aber der Preis dafür war, dass er Leute zum Vorsprechen anwerben musste.«
Reece sah mich an. »Vorsprechen? Was meinen Sie damit?«
Ich kauerte mich zusammen und redete. Ich wollte zu Reece hinüber, wollte einen kräftigen Bissen nehmen. Stattdessen redete ich. »Kaspar konnte nach Belieben die Gestalt wechseln. Raina benutzte ihn, um zu testen, ob die Frauen ausflippten, wenn er sich mitten beim Sex in einen Schwan verwandelte.«
Reece machte ein entsetztes Gesicht. »Sie haben das mit angesehen?«
»Nein, aber Raina hat es großen Spaß gemacht, mir alles bis ins Einzelne zu schildern. Sie wollte mich zwingen, bei dem sogenannten Vorsprechen zuzusehen, aber ich hatte Besseres zu tun.«
»Er hat das freiwillig getan?«, fragte Reece.
»Nein«, sagte ich. »Ganz eindeutig nicht. Er verabscheute es.«
»Wir betrachten es als große Gabe, dass wir die Gestalt willentlich wechseln können. Das können nur wenige Gestaltwandler so mühelos.«
»Ist das so, weil Ihre Gabe ein Fluch oder angeboren ist und nicht durch Ansteckung weitergegeben wird?«
»Ja, das meinen wir«, sagte er.
»Kaspar stand unter einem Fluch«, ergänzte ich.
»Überlegen Sie, wie der Fall bei mir liegen könnte?«
Eigentlich überlegte ich, wie es sich anfühlte, seinen ständig hüpfenden Adamsapfel mit den Zähnen festzuhalten, aber das behielt ich wohl besser für mich. Ich redete weiter, aber Micah und Rafael ahnten vermutlich, wie dünn meine
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