Anita Blake 11 - Jägerin des Zwielichts
wärst du jung und naiv. Manchmal kann man jemanden nicht retten, so sehr man es auch versucht.«
Jetzt war ich es, die den Blick niederschlug. »Ich habe auch schon Leute verloren, habe welche im Stich gelassen, sodass sie umkamen oder verwundet wurden.« Ich sah ihn an. »Aber die, die sie umgebracht und gequält haben, sind jetzt ebenfalls tot. Vielleicht kann ich nicht jeden retten, aber als Rächerin bin ich richtig gut.«
»Das Unglück ist trotzdem geschehen. Die Toten stehen nicht wirklich wieder auf. Zombies sind Leichen, Anita. Sie sind nicht die Menschen, die man verloren hat.«
»Da kenne ich mich besser aus als du, Micah.«
Er nickte. Seine Anspannung hatte ein bisschen nachgelassen, aber in seinem Blick lag jetzt ein alter Schmerz, der noch unverarbeitet war.
»Ich habe für Gina und die anderen alles getan, was ich konnte, und es reichte nicht. Es wird niemals reichen.«
Ich nahm seine Hände, und diesmal ließ er es zu. »Gemeinsam können wir vielleicht genug tun.«
Er sah mich forschend an. »Das meinst du wirklich ernst, nicht wahr?«
»Anita sagt selten etwas, das sie nicht ernst meint«, sagte Rafael. »Aber ich an ihrer Stelle würde zuerst fragen, worin die Probleme bestehen, anstatt gleich zu versprechen, sie zu lösen.«
Ich musste schmunzeln. »Ich wollte gerade danach fragen.«
Micah drehte die Hände um, sodass er jetzt meine festhielt. Er sah mir in die Augen. Da war weder Liebe noch Lust zu sehen, sondern nur Ernst. »Retten wir erst mal deinen Leoparden. Dann kannst du mich wieder fragen, und ich erzähle dir alles.«
Der Wagen wurde langsamer und fuhr eine Kurve. Kies knirschte unter den Reifen. Wir waren in der Auffahrt der Farm, hinter der man durch den Wald zum Lupanar gelangte.
»Verrate mir jetzt schon was darüber, Micah. Ich muss das besser einschätzen können.«
Er seufzte, sah auf seine gefalteten Hände und hob dann langsam den Blick. »Wir sind einmal einem sehr schlechten Mann in die Hände gefallen. Er will nicht von uns lassen, und ich suche nach einer Zuflucht für uns, wo wir vor ihm sicher sind.«
»Warum hast du Angst, mir davon zu erzählen?«
»Die meisten Rudel wollen mit solchem Ärger nichts zu tun haben.«
Ich zog einen Mundwinkel hoch. »Ärger ist mein zweiter Vorname.«
Er guckte mich fragend an. Wahrscheinlich stand wieder nur ich auf die Schwarze Serie. »Ich werde euch nicht plötzlich wieder fallen lassen nur wegen irgendeines Arschlochs. Sag mir, aus welcher Richtung die Gefahr droht, und ich erledige das.«
»Ich beneide dich um deine Zuversicht.«
Als ich seinen qualvollen Blick sah, lief mir ein kalter Schauder über den Rücken. Er ließ meine Hände los und rückte von mir weg, als Merle die Tür aufzog und ihm die Hand zum Aussteigen bot. Er nahm sie nicht, glitt aber hinaus in die Dunkelheit.
Reece folgte ihm mit einem Blick zu Rafael. Scheinbar hatte der ihn gebeten, uns einen Moment allein zu lassen. Ich wandte mich Rafael zu. »Du willst mir noch etwas sagen?«
»Sei vorsichtig bei ihm, Anita. Keiner von uns kennt ihn oder seine Leute.«
»Seltsam, das Gleiche dachte ich auch gerade.«
»Obwohl er dein Tier so stark anspricht?«
Ich begegnete seinen dunklen Augen. »Vielleicht gerade deswegen.«
Rafael schmunzelte. »Ich sollte inzwischen wissen, dass dir Zuneigung nicht den Blick trüben kann.«
»Oh, das kann sie, aber nie lange.«
»Du klingst wehmütig.«
»Manchmal überlege ich, wie es wohl wäre, wenn ich mich verlieben könnte, ohne vorher die Risiken abzuwägen.«
»Wenn eine Liebe funktioniert, ist es das Beste auf der Welt. Wenn nicht, fühlt man sich, als würde einem das Herz rausgerissen und klein gehackt, während man dabei zusieht. Es hinterlässt ein großes Loch, das nie wieder richtig zuheilt.«
Ich sah ihn an und wusste nicht, was ich sagen sollte. »Klingt nach einer üblen Erfahrung.«
»Ich habe eine Ex-Frau und einen Sohn. Sie leben in einem anderen Staat, so weit von mir weg wie möglich.«
»Was ist schiefgegangen, wenn ich fragen darf?«
»Sie war nicht stark genug, um damit klarzukommen, was ich bin. Ich habe nichts vor ihr verborgen. Sie wusste über alles Bescheid, bevor wir heirateten. Wäre ich nicht so sehr in sie verliebt gewesen, hätte ich erkannt, dass sie schwach ist. Als Anführer eines Rudels kann ich unterscheiden, wer stark und wer schwach
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