Anita Blake 11 - Jägerin des Zwielichts
dem weißen Boden. Es rann zu einer kleinen Mulde im Zement, die einen Abfluss hatte, sodass sie den Boden mit dem Schlauch abspritzen konnten, wenn sie fertig waren. In der hinteren Ecke stand ein weiterer von Narcissus' Wachleuten, der dem Anschein nach gar nicht gern hier war. Neben der Tür waren drei Frauen an die Wand gekettet, die ich nicht kannte, rechts zwei blonde, links eine Brünette. Sie waren keine Werleoparden, oder zumindest keine von meinen.
»Ich will meine Leute sehen«, sagte ich.
»Willst du uns nicht förmlich begrüßen?«, fragte Marco.
»Du bist nicht der Anführer, Marco. Hol den Oberlöwen rein, dann begrüße ich ihn. Dich muss ich nicht begrüßen.«
Marco machte eine leichte Verbeugung, ohne den Blickkontakt zu unterbrechen, als fürchtete er, ich würde ihn angreifen, sobald er wegguckte.
Jamil war neben mich getreten, so nah, dass wir uns an der Schulter berührten. Ich befahl ihm nicht, Abstand zu wahren. Er hatte mir einmal das Leben gerettet, ich würde ihm nicht sagen, was er zu tun hatte.
»Dann begrüße mich, Nimir-Ra.« Eine neue männliche Stimme. Er trat hinter den Kapuzenträgern hervor, die darauf ihre Kapuzen abzogen. Jetzt konnte ich Gregory sehen.
Er stand mit dem Gesicht zur Wand, nackt bis auf die Hose, die bis auf die Oberschenkel herabgezogen war. Die Stiefel hatte er noch an. Die Hände waren hoch über dem Kopf angekettet, die Beine weit gespreizt. Seine blonden Locken fielen bis über die Schultern. Er war schlank, aber kräftig, der Hintern fest. Wer als Stripper arbeitet, muss auf seinen Körper achten. Von hinten war keine Verletzung zu sehen. Das Blut war vor ihm auf den Boden getropft, hatte eine Pfütze gebildet und war getrocknet. Mein Magen zog sich zusammen, mir wurde es eng im Hals.
»Gregory«, sagte ich leise.
»Er ist geknebelt«, sagte der Anführer. Damit lenkte er endlich meinen Blick auf sich. Ich starrte ihn an.
Er war kein Löwe, sondern ein Schlangenmensch. Sein Kopf war breiter als meine Schultern und mit olivgrünen Schuppen überzogen, die ein schwarzes Fleckenmuster hatten. Ein Arm war nackt, und er sah bis auf die Schuppen recht menschlich aus. Die Hände dagegen hatten gekrümmte Krallen, auf die jedes Raubtier stolz gewesen wäre. Er drehte den Kopf zur Seite, um mich mit einem großen rotgoldenen Auge zu mustern. Ein breiter schwarzer Streifen zog sich vom Augenwinkel bis zu seiner Schläfe. Seine Bewegungen erinnerten vage an einen Vogel. Weitere schwarz verhüllte Gestalten traten von den Wänden weg und zogen die Kapuzen ab. Sie hatten die gleiche Schuppenhaut, den gleichen Streifen hinter den Augen und die gleichen Krallen an den Fingern.
Meine Begleiter fächerten um mich aus. »Wer bist du?«
»Ich bin Coronus vom Schwarzwasserklan, doch das wird dir nichts sagen.«
»Marco hat erwähnt, dass du neu in der Stadt bist. Ich bin Anita Blake, Nimir-Ra des Bluttrinkerklans. Mit welchem Recht quälst du meine Leute?« Eigentlich wollte ich ihn anbrüllen, aber es gab Regeln. Ich konnte kein Fell oder Schuppen hervorbringen, aber ich konnte die Regeln befolgen.
Coronus ging zur Wand, wo die Brünette angekettet war. Sie gab kleine, panische Laute von sich, sowie er die Hand nach ihr ausstreckte. Sylvie schob sich ein wenig in seine Richtung, als wartete sie nur auf einen Vorwand. Coronus strich der Frau bloß mit dem Finger über die Wange, doch sie schloss die Augen und zitterte.
»Ich bin hergekommen auf der Suche nach Schwanenmädchen. Drei habe ich gefunden. Sie hatten den Mann bereits gefesselt. Wir dachten, er sei ihr Schwanenkönig, sonst hätten wir ihm nichts getan. Bis wir feststellten, dass wir den Falschen hatten, waren wir aber schon mitten im Spiel.«
Ich warf einen Blick auf die Umhänge, die nichts erkennen ließen, und auf die gleichgültigen Gesichter der Männer, die für mich so undurchschaubar waren, als wären sie in Schlangengestalt. Mir fiel auf, dass eine der Gestalten Brüste hatte. Hinter ihnen konnte ich Ketten sehen, die zur Decke und zum Boden führten. Dort war noch mehr Blut, viel mehr Blut.
»Ich will Nathaniel sehen.«
»Willst du nicht zuerst deinen blonden Leoparden genauer ansehen?«
Ich wollte schon fragen, warum. Mir gefiel nicht, dass er es hinauszögerte, mir Nathaniel zu zeigen. »Du willst, dass ich Gregory als Ersten sehe?«
Der Schlangenmann schien zu überlegen; er neigte den Kopf zur Seite.
Weitere Kostenlose Bücher