Anita Blake 11 - Jägerin des Zwielichts
Sprungfedern.
Ich spürte es mehr, als dass ich es sah: Etwas Großes, Dunkles sprang über mich hinweg und landete hinter mir. Den Bruchteil einer Sekunde war ich abgelenkt, aber das genügte. Der Gegner vor mir griff an, so schnell, dass mein Blick nicht folgen konnte. Ich riss den linken Arm hoch und fing den Schlag ab, während ich mit der Rechten zustach. Mein linker Arm wurde augenblicklich taub. Mein Messerstich wäre in den Bauch gegangen, doch ich nahm aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahr und musste mich zur Seite werfen. Nur knapp entging ich den Krallen. Ich stach mit dem Messer nach den Beinen und schnitt durch Stiefel. Der Schlangenmensch schrie auf und humpelte weg.
Die Zweite griff mit den Krallen an. Mir blieb keine Zeit für Ausweichbewegungen. Ich hielt nur das Messer bereit. Mein linker Arm war kaum zu gebrauchen. Ich sah das schuppige Albtraumwesen auf mich fallen. Ein kleinerer schwarzer Schatten traf es von der Seite und prallte mit ihm zusammen gegen die Wand. Das war Meng Di gewesen. Die Krallen bohrten sich in ihre weiße Haut.
Mehr sah ich nicht, denn Coronus ragte über mir auf, Blut tropfte ihm von Hals und Schultern, sein Hemd war zerrissen. Sylvie war hinter ihm und rang mit Marco, um an ihm vorbei an Coronus heranzukommen. Ihre hübschen Hände hatten sich in Pranken verwandelt, sonst war sie Mensch geblieben.
Jamil kämpfte in einer Ecke mit zwei Schlangenmännern. Gregory wuchs Fell. Er war mitten im Gestaltwandel und wehrlos, bis er damit fertig war. Nach allen anderen konnte ich mich in dem Moment nicht umblicken, weil Coronus auf mich zukam. Ich tat das Einzige, was mir noch einfiel. Ich warf das Messer nach ihm. Ich wartete nicht ab, ob es traf. Ich rannte zur nächsten Wand mit den Hieb- und Stichwaffen. Ich hatte die Hand am Heft eines Degens, als Coronus mir den Rücken aufriss. Schreiend fiel ich auf die Knie, ließ das Heft aber nicht los, sondern riss den Degen im Fallen aus der Halterung. Ich drehte mich, kehrte ihm die linke Seite zu. Er riss mir die linke Schulter auf, aber das tat nicht so weh wie am Rücken. Entweder war die Wunde tiefer oder die Taubheit des Arms reichte bis in die Schulter. Ich nutzte die geschenkten Sekunden - in denen er mich aufschlitzte - und stieß mit dem Degen hinter mich, ohne den Kopf zu drehen. Es war, als ob ich ihn hinter mir spürte, genau wusste, wo er war. Die Klinge drang in Fleisch. Ich stieß sie aufwärts und kam mit dem Schwung des Stoßes auf die Beine, trieb die Klinge weiter aufwärts in ihn hinein, so fest ich konnte. So etwas hatte ich noch nie getan, doch die Bewegung war mir eigentümlich vertraut. Und ich begriff, dass sie nicht meiner Erinnerung entsprang. Es war nicht mein Arm, der wusste, wie der Degen zu drehen war, während sich gleichzeitig der Körper drehte, um zusätzliche Wunden zuzufügen, und wie man innere Organe zerschneidet, wenn man die Klinge wieder herauszieht. Ich hob die herausgezogene Klinge über die kniende Gestalt, hob den Degen einhändig. Das war mir geläufig. Ich hatte jahrelang Köpfe abgeschlagen. Die Klinge sauste bereits herab, als er schrie: »Genug!« Ich hielt nicht inne, wurde nicht einmal langsamer.
Es war Jamil, der sich gegen mich warf, über den gebeugten Kopf von Coronus hinweg. Ich drückte mich gegen die Wand, während ich ihn abwehrte. »Anita, Anita!«
Ich blickte auf und begriff erst in dem Moment vollends, wer er war und was er tat. Mir war nur theoretisch klar gewesen, dass mein Arm im Begriff war, den Schlangenmann zu köpfen. Ich wehrte mich nicht mehr, aber Jamil ließ mich nicht los.
»Sprich mit mir, Anita.«
»Alles in Ordnung.«
»Er ergibt sich. Wir haben gesiegt. Du bekommst deine Leoparden.« Er griff nach meiner Hand, in der ich noch den Degen hielt. »Beruhige dich, du hast gesiegt.«
Ich versuchte, den Degen zu behalten, aber Jamil war erst zufrieden, als ich ihn mir abnehmen ließ. Dann rückte er vorsichtig von mir ab, und ich blickte auf den knienden Coronus nieder, der sich die blutüberströmte Seite hielt. Er blickte auf und hustete. Ein bisschen Blut kam aus seinem Mund. Er leckte es ab. »Du hast einen Lungenflügel geritzt.«
»Die Klinge ist nicht aus Silber. Es wird verheilen.«
Er lachte, aber das schien weh zu tun. »Wir heilen alle.«
»Bete, dass das auch bei Gregory so kommt«, sagte ich.
Er schoss mir einen nervösen Blick zu, der mir gar nicht gefiel. »Was ist es, das dich
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