Anita Blake 11 - Jägerin des Zwielichts
beidem ist.«
Ich sah ihm ins Gesicht, aber er hatte sich hinter seinen Schilden verschanzt, er war für mich nicht zu deuten. Er und Jean-Claude hatten darin mehr Übung als ich. Aber offen gestanden wollte ich gar nicht wissen, was jetzt in seinem Kopf vorging. Verblüfft merkte ich, dass ich Jean-Claudes Erinnerungen hatte, aber keine von Richard. Mir war das nicht aufgefallen. Ich würde später danach fragen. Später. Jetzt wollte ich erst mal aus diesem Zimmer raus. »Ich will hier raus.«
Jean-Claude löste sich von uns. »Ja, die Nacht wird immer kürzer, und wir haben noch viel vor.«
Ich sah weder ihn noch Richard an. Ich hatte so gut wie versprochen, vor Morgengrauen mit ihnen zu schlafen. Aber nach einem Blick auf Ashers nackten Rücken und Narcissus' Gesichtsausdruck, der zwischen Anbetung und Schrecken schwankte, war ich irgendwie nicht mehr in der Stimmung.
7
Der obere Flur war leer und hell. Unter der Decke verlief eine silberne Tapetenbordüre, die Tapete selbst hatte schmale silberne Streifen. Eine opulente, geschmackvolle Gestaltung. Es sah aus wie in einem vornehmen Hotel. Ich wusste nicht, ob das Tarnung war oder ob Narcissus wirklich diesen Geschmack hatte. Nach dem schwarzen Techno-Punk unten und dem Marquis-de-Sade-Schlafzimmer war das ziemlich verblüffend, so als wechselte man aus einem finsteren Albtraum in einen ruhigen, friedlichen Traum.
Wir wirkten in unserer Aufmachung deplatziert: zu viel Schwarz, zu viel Haut. An der Spitze ging Jamil, dessen muskulöser Oberkörper verführerisch zwischen den vielen Lederriemen zu sehen war. Die Hose saß an seinen schmalen Hüften wie eine zweite Haut, und ich wusste seit langem aus Erfahrung mit Jean-Claude, dass man diese glatten Kurven nicht hinbekommt, wenn man Unterwäsche trägt. Das schwarze Leder, das dunkle Braun seiner Haut, er war ein dunkler Kontrast und bewegte sich wie ein Schatten durch den weißen Flur.
Hinter ihm ging Faust. Er war der neue Vampir, dem ich unten zum ersten Mal begegnet war. In dem besseren Licht sah man, dass seine Haare burgunderrot waren. Es sah aus wie eine misslungene Färbung, passte aber zu ihm. Seine Lederhose hatte mehr Reißverschlüsse als nötig waren, um sie an- und auszuziehen, und auch das schwarze Hemd hatte vorne einen Reißverschluss. Das erinnerte mich an Ashers Weste. Ich versuchte, möglichst wenig daran zu denken, was er in diesem Moment tat. Mir war nicht klar, ob er sich unseretwegen zum Sex angeboten hatte oder wirklich mit Narcissus zusammen sein wollte. Die Idee der Selbstopferung war mir sympathischer.
Ich ging in der Mitte, hinter mir die zwei Frauen. Sylvie wirkte hier erst recht wie verkleidet. Der schwarze Rock war so kurz, dass jeder, der hinter ihr ging, hervorblitzen sah, was sie drunter hatte. Sie war nur sieben Zentimeter größer als ich, aber die Strumpfhose machte ihre Beine lang und wohlgeformt, ebenso die schwarzen hohen Stilettos. Ihr ledernes Oberteil zeigte sehr diskret einen dünnen Streifen Haut vom Hals bis zur Taille, wo ein Gürtel ihre schlanke Figur betonte. Ihre Brüste blieben wie durch Magie rechts und links des Schlitzes.
Sie lächelte mich an, aber ihre Augen hatten bereits die helle Wolfsfarbe angenommen, womit sie nicht mehr zu dem sorgfältigen Make-up und den kurzen braunen Locken passten.
Den Schluss bildete Meng Di. Wo ihr Catsuit ihre helle Haut frei ließ, schimmerte sie von einer farblosen Glitzercreme. Ein Hauch von Glitzer war auch in den Winkeln ihrer Mandelaugen zu sehen, als Ergänzung zu hellem Lidschatten und einem dramatischen Lidstrich. Sie war kleiner und noch zierlicher als ich, schmaler in der Taille und kleinbusig. Sie wirkte zart wie ein Vögelchen. Aber der Blick, den sie mir zuwarf, war mehr Geier als Wellensittich. Sie konnte mich nicht leiden, und ich wusste nicht, wieso. Aber Jean-Claude hatte mir versichert, dass sie mich schützen würde. Er mochte viele Fehler haben, aber was meine Sicherheit anging, war er nie leichtsinnig, nicht auf diese Art.
Faust schien sich königlich zu amüsieren. Er lächelte und schmunzelte in einem fort. Aber vielleicht war er auch bloß ein zufriedener Mensch und ich ein Zyniker.
Warum waren Jean-Claude und Richard nicht bei mir? Weil die Werleoparden meine Sache waren. Wenn ich andere Dominante mitbrächte, würde mir das als Schwäche ausgelegt. In naher Zukunft plante ich mir andere Alphas anzusehen, die mein Rudel übernehmen
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