Anita Blake 11 - Jägerin des Zwielichts
sich, aber er machte eine anmutige Verbeugung, die so gar nicht zu seinen Lederklamotten passte. »Was Jean-Claudes Angebetete wünscht, wird gemacht.« Er trat zur Seite, dicht neben mich, sodass Sylvie sich veranlasst fühlte, ebenfalls näher zu rücken. Damit ging es mir schon besser. Vampire gängeln war immer riskant. Man wusste nie, wann sie vielleicht zurückgängelten. Ich brauchte dringend meine Browning.
»Was jetzt?«, fragte Jamil. Er beobachtete die Vampire, als fühlte er sich in ihrer Gesellschaft auch nicht so ganz wohl. Alle guten Leibwächter sind paranoid. Das bringt der Beruf so mit sich.
»Ich schätze, wir klopfen.« Ich blieb mit Bedacht an der Seite stehen und streckte nur den Arm aus. Ich klopfte dreimal gut hörbar. Ein Schuss durch die Tür würde mich wahrscheinlich verfehlen. Aber niemand schoss. Es passierte sogar gar nichts. Wir warteten ein paar Augenblicke, obwohl Geduld noch nie meine Stärke war. Ich streckte noch mal den Arm aus, aber Jamil unterbrach mich. »Darf ich?«
Ich nickte.
Er klopfte, dass die Tür wackelte. Es war eine solide Tür. Wenn diesmal keiner aufmachte, ignorierten sie uns mit Absicht.
Die Tür ging auf, und vor uns stand ein braunhaariger Muskelmann wie Ajax, der aber größer war. Warb Narcissus die eigentlich alle in den Gewichtheber-Clubs an? Er musterte uns stirnrunzelnd. »Ja?«
»Ich bin die Nimir-Ra der Werleoparden. Ich denke, ich werde erwartet.«
»Wurde auch Zeit«, sagte er. Er riss die Tür weiter auf, drückte sie bis an die Wand und stellte sich mit verschränkten Armen davor. Offenbar waren die gar nicht so muskulös, wie sie aussahen, sonst hätte er sie nicht so verschränken können. Aber er demonstrierte, dass sich keiner hinter der Tür verbarg. Gut zu wissen.
Das Zimmer war blendend weiß - weißer Boden, weiße Decke, weiße Wände - wie in einem Iglu. An den Wänden hingen Messer, Degen, Dolche, kleine glänzende Wurfmesser, Langschwerter. Der Leibwächter an der Tür sagte: »Willkommen im Raum der Schwerter.« Das klang förmlich, wie eine traditionelle Begrüßung.
Von der Tür aus konnte ich sonst niemanden sehen. Ich holte tief Luft und ließ sie langsam wieder raus, dann ging ich hinein. Jamil folgte mit einem Schritt Abstand an meiner Schulter, Faust an der anderen Seite. Sylvie und Meng Di kamen hinter ihnen.
Darauf trat eine Gestalt in die Mitte des Raumes. Auf den ersten Blick dachte ich, es sei ein Mann. Auf den zweiten Blick stimmte das nicht ganz. Er war einsachtzig groß, breitschultrig und muskelbepackt, aber was ich für Sonnenbräune gehalten hatte, entpuppte sich als feines, dünnes Fell. Es bedeckte den gesamten Körper. Im Gesicht sah er fast wie ein Mensch aus, wenn auch der Knochenbau ein bisschen seltsam war. Die Stirn war breit, der Mund lippenlos und rundlich. Die Augen hatten ein dunkles Orangegold mit einem Hauch Blau darin, als ob sie wie der Körper ihre Verwandlung nicht ganz abgeschlossen hätten, sondern kurz vor der Wiedererlangung der menschlichen Gestalt stehen geblieben wären. So ein Anblick war mir völlig neu. An der nackten Brust und am Bauch sah man helle Haut durchschimmern. Es war schwer zu sagen, ob die dunkelgoldenen Haare und der Kinnbart tatsächlich Menschenhaare oder die Reste einer Mähne waren. Je länger ich ihn anstarrte, desto mehr sah ich den Löwen und desto mehr verschwand der Mensch, den ich zuerst in ihm gesehen hatte.
Er schenkte mir ein zähnefletschendes Lächeln. »Gefällt dir, was du siehst?«
»Ich bin zumindest überrascht«, antwortete ich freundlich, ruhig, beinahe ausdruckslos.
Der Mangel an Reaktion gefiel ihm gar nicht. Das Lächeln verschwand, die Zähne blieben gefletscht. Sie waren sehr scharf und sehr weiß.
»Willkommen, Nimir-Ra. Ich bin Marco. Wir haben auf dich gewartet.« Er machte eine einladende Geste mit der Hand, die allerdings Krallen hatte. Ich sah mich nach den »Wir« um. Da standen kleine bis mittelgroße Männer mit kurzen schwarzen Haaren und dunkler Haut. Die meisten Rudel waren ethnisch gemischt, aber diese Mitglieder hier nicht, sie hatten sogar eine familiäre Ähnlichkeit untereinander. Auf jeder Seite standen zwei mit Kapuzenumhang. Links hinter ihnen sah ich blonde Haare hervorlugen. Das musste Gregory sein. Von Nathaniel sah ich nichts hinter den schwarz Verhüllten hervorschauen, war mir aber sicher, dass er rechts irgendwo sein musste.
Dann sah ich das Blut auf
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