Anita Blake 11 - Jägerin des Zwielichts
wieder. Eine kleine Stimme in meinem Kopf schrie mich an, ich sei ein Soziopath wie aus dem Lehrbuch. Aber Rebecca von der Sunnybrook Farm würde sich bei Jacob nicht durchsetzen. Vielleicht könnte ich es mir später erlauben, weich zu werden. »Endlich haben wir uns verstanden. Du hast jetzt meine Handy-Nummer. Du rufst mich vor morgen Abend an und erklärst mir deinen Plan.«
»Und wenn mir keiner einfällt?«
»Nicht mein Problem.«
»Du bringst mich um, wenn ich deinen Leoparden nicht retten kann, selbst wenn ich es ernsthaft versucht habe?«
»Ja.«
»Du kaltes Miststück.«
»Ruf mich an, Jacob, und zwar bald.« Ich legte auf.
11
Jetzt verstehe ich, was du mit zupackend meinst«, meinte Micah. Er stand ruhig da und musterte mich mit betont neutralem Gesichtsausdruck, aber so ganz konnte er seine Gefühle nicht verbergen: Er war erfreut. Ich glaube, er freute sich über mich.
»Du läufst nicht schreiend davon, weil ich ein blutrünstiger Soziopath bin?«
Er schmunzelte, und wieder senkten sich seine langen Wimpern über die Augen. »Ich halte dich nicht dafür, Anita. Du tust lediglich das Nötige, um dein Rudel zu schützen.« Er richtete seinen gelbgrünen Blick auf mich. »Ich finde das bewundernswert, nicht schändlich.«
Ich seufzte. »Schön, dass mir wenigstens einer beipflichtet.«
Er lächelte, und es wirkte gleichzeitig herablassend, glücklich und traurig. Echt komplex. »Der Ulfric meint es gut.«
»Der Weg zur Hölle ist mit guten Absichten gepflastert, Micah. Wenn er unbedingt dahinwill, meinetwegen. Aber er hat kein Recht, uns alle mitzunehmen.«
»Ganz meine Meinung.«
Es erschöpfte mich, dass er ständig meiner Meinung war. Er war nicht derjenige, den ich liebte. Warum konnte es nicht Richard sein, der mit mir einig war? Natürlich gab es in der Hinsicht noch jemanden. Ich musste zu Jean-Claude, solange es noch dunkel war.
»Ich habe dich als Gentleman beim Duschen vorgelassen, und dann musste ich das Wasser wieder abdrehen, weil du telefoniert hast. Jetzt will ich endgültig duschen, wenn du nichts dagegen hast.«
»Ich lass dich allein.« Ich wandte mich zum Gehen.
»Ich wollte dich nicht bitten, mich allein zu lassen, sondern erklären, warum ich während unserer Unterhaltung das Wasser wieder aufdrehe.«
Ich drehte mich wieder um. »Welche Unterhaltung?«
Er prüfte die Wassertemperatur mit der Hand, drehte am Heißwasserhahn und redete mit mir über die Schulter. »Ich habe noch bei keiner Nimir-Ra solche Macht gespürt wie bei dir. Das war erstaunlich.«
»Freut mich, aber ich muss jetzt gehen.«
Er drehte sich zu mir um, stellte sich unter den Wasserstrahl und legte den Kopf in den Nacken, damit die Haare nass wurden. Der Strahl traf die Bisswunde am Hals. Micah stieß zischend den Atem aus und zog die Schulter hoch.
Ich ging zurück zu ihm. »Alles in Ordnung?«
Er nickte und zuckte wieder zusammen. »Wird schon.«
Ich stand ziemlich nah bei ihm und sah die Tropfen in seinem Gesicht und an den Wimpern. Als ich ein paar Spritzer abbekam, ging ich zur Seite, und mein Blick fiel auf die Bisswunde. »Scheiße.« Ich griff durch das Wasser an seine Schulter.
Er hatte einen vollständigen Zahnabdruck am Hals. Die Wunde blutete noch ein bisschen. Der Bluterguss färbte sich allmählich dunkel.
»Meine Güte, Micah, das tut mir leid.«
»Nicht nötig. Das ist ein Liebesbiss.«
Ich ließ die Hand sinken. »Ja, klar. Es sieht eher aus, als hätte ich dich auffressen wollen.« Ich runzelte die Stirn. »Warum ist es noch nicht verheilt?«
»Bisswunden von einem anderen Lykanthropen heilen langsamer, ungefähr so langsam wie Verletzungen durch Silber.«
»Das tut mir leid.«
»Wie gesagt, das ist nicht nötig.«
»Der vorige Ulfric, den ich so gebissen habe, hat das als Beleidigung angesehen, obwohl ich nicht mal die Haut geritzt habe. Er sagte, dass ich mich dadurch vor dem Rudel über ihn gestellt habe.«
»Wir sind keine Wölfe. Für unser Rudel ist eine Halswunde durch eine Nimir-Ra ein Zeichen, dass der Sex gut war.«
Ich wurde rot.
»Ich wollte dich nicht verlegen machen, nur erklären, warum du dich nicht zu entschuldigen brauchst. Ich habe es genossen.«
Ich wurde dunkelrot.
»Gemeinsam könnten wir für unser Rudel Großes bewirken.«
Ich schüttelte den Kopf. »Wir wissen erst in ein
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