Anita Blake 11 - Jägerin des Zwielichts
die Augen zumachen und mich zusammenreißen, sonst hätte ich ihm einen Schlag verpasst. Was war los mit mir?
Hinter mir spürte ich Nathaniel. »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte er.
Ich schüttelte den Kopf. »Ich glaube nein.«
»Hör zu«, sagte Jason. »Es tut mir leid. Ich will Jacob nicht als Anführer haben. Ich traue ihm nicht. Richard ist vielleicht ein sentimentaler Stur-Konservativer, aber er ist auch fair, und er versucht wirklich die Interessen des Rudels über seine eigenen zu stellen. Darauf will ich nicht wieder verzichten.«
Ich sah ihn an und versuchte, meine Wut hinunterzuschlucken. »Du fürchtest, wie es werden könnte, wenn Jacob das Ruder übernimmt«, stellte ich mit belegter Stimme fest.
Er nickte. »Genau.«
»Ich auch«, sagte ich.
Er blickte mich prüfend an. »Wenn Jacob Richard im fairen Zweikampf tötet, was tust du dann?«
»Ich bin nicht mehr mit Richard zusammen und bin auch nicht mehr Lupa. Wenn der Kampf wirklich fair ist, kann ich mich nicht einmischen. Ein fairer Kampf nach dem Vollmond, und ich verzichte auf Rache, das habe ich Jacob gesagt.«
»Du willst Richards Tod nicht rächen?«
»Wenn ich Jacob töte, wer soll dann die Führung übernehmen? Ich habe gesehen, was passiert, wenn ein Rudel keinen führungstauglichen Alpha mehr hat. Ich werde nicht zulassen, dass die Wölfe das Gleiche durchmachen wie die Leoparden.«
»Wenn Jacob stirbt, bevor er Sylvie herausfordert, dann bräuchtest du dir keine Sorgen mehr zu machen«, meinte Jason.
Meine Wut flammte wieder auf. »Du kannst nicht beides haben. Entweder bin ich nicht deine Lupa und kann die Lage nicht bereinigen, oder ich bin noch deine Lupa, und du kannst dich an mich um Hilfe wenden. Entscheide dich, bevor du dich das nächste Mal beschwerst.«
»Du kannst nicht mehr Lupa sein, das Rudel hat dich abgewählt. Aber du hast recht, es ist nicht deine Schuld. Du musstest erst wieder auf die Beine kommen, bevor du einem anderen auf die Sprünge helfen konntest. Tut mir leid, dass ich mich beschwert habe.«
»Entschuldigung angenommen«, sagte ich. Ich wollte an ihm vorbei durch die Tür, aber er hielt mich auf.
»Ich habe dich nicht gebeten, Jacob zu töten, weil du meine Lupa bist, sondern weil ich weiß, dass du selbst schon daran gedacht hattest. Weil du glaubst, dass es für das Rudel am besten ist.«
»Das Rudel geht mich nichts mehr an, das sagen alle.«
»Die kennen dich nicht so gut wie ich.«
Ich befreite mich sanft von seiner Hand. »Was willst du damit sagen?«
»Wenn du einmal deine Freundschaft angeboten hast, deinen Schutz, dann passt du auf denjenigen auf, selbst wenn er das nicht will.«
»Wenn ich Jacob töte, wird Richard mir das nie verzeihen.«
»Er hat dir den Laufpass gegeben, oder nicht? Was hast du zu verlieren, wenn du Jacob tötest? Nichts. Aber wenn du es nicht tust, verlierst du Sylvie und Richard.«
Ich drängte mich an ihm vorbei. »Ich bin es langsam leid, immer die Drecksarbeit für andere zu machen.«
»Aber keiner kann es besser als du, Anita.«
Ich stockte. »Was willst du denn damit sagen?«
»Nur das, was ich sage. Es ist nun mal so.«
Ich starrte in seine ernsten Augen. Ich hätte ihm zu gern widersprochen, aber mir fiel nichts ein.
Ich hatte nicht geglaubt, dass es mir noch mieser gehen könnte. Ein Irrtum. Wenn ich Jason so über mich reden hörte, dann ging es mir erst richtig beschissen.
14
Es war kurz vor Sonnenaufgang, als Jean-Claude im Morgenmantel hereinkam. »Du kannst mein Bett haben, ma petite. Ich gehe in den Sarg. Deine Nerven sind schon genügend beansprucht, auch ohne dass ich beim ersten Sonnenstrahl in deinen Armen sterbe«, sagte er.
Ich hätte gern dagegen gemault, weil ich dringend von ihm im Arm gehalten werden wollte, aber er hatte recht. Ich hatte für eine Nacht genug Erschütterungen erlebt. »Nathaniel wird bei mir bleiben«, sagte ich.
Ein seltsamer Ausdruck glitt über sein Gesicht. »Und Jason auch.«
»Warum das?«
»Ich habe keine Zeit mehr für Erklärungen, ma petite, aber bitte vertrau mir, wenn ich sage, dass Jason hier sein sollte. Es ist nur zu deinem Besten.«
Ihm blieben nur noch Minuten, das spürte ich selbst tief unter der Erde. »Na gut, Jason kann hier schlafen.«
Jean-Claude war bereits durch die Tür. »Ich sage es ihm unterwegs zum Sargzimmer. Ich bedaure,
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