Anita Blake 11 - Jägerin des Zwielichts
mich aber nicht auf. Asher stand an die Tür gelehnt, die Hände hinter dem Rücken, und ich wusste, wieso. Durch Jean-Claudes »Gabe« wusste ich, dass Asher mich berühren wollte und sich nicht traute. Aber es war eigentlich nicht ich, die er berühren wollte. In der Hinsicht war er wie Nathaniel; er sah in mir, was er brauchte, nicht was ich wirklich war.
Ich griff nach seinen Haaren. Er zuckte zurück, aber ich strich sie trotzdem zur Seite und stützte mich mit der anderen Hand an seiner Brust ab. Er entzog sich mir und ging einen Schritt ins Zimmer hinein. Ich wollte ihn am Ärmel zu mir herumziehen, aber er blieb abgewandt, und so entblößte ich ein Stück der Schulter. »Sieh mich an, Asher, bitte.«
Er rührte sich nicht; ich musste um ihn herumgehen. Ich konnte unter den Haarvorhang spähen, weil er einen Kopf größer als ich war. Und wieder drehte er sich weg. Ich nahm sein Gesicht in beide Hände und drehte es zu mir. Ich spürte sein Widerstreben, den Drang, wegzugehen. Aber er blieb stehen und versteifte sich unter meiner Berührung, während er die Hände hinter dem Rücken behielt, als wären sie zusammengebunden.
Unter der einen Hand spürte ich die glatte, unter der anderen die raue Haut. Er hätte mich abwehren können, tat es aber nicht. Ich schob die Hände in seine Haare und strich sie nach hinten, schaute zu seinem erhobenen Gesicht auf, zu den unglaublich hellen, blauen Augen, die so verblüffend waren. Seine Lippen waren voll und verlockend, seine Nase perfekt geformt. Für mich waren selbst die Narben, die rechts daneben begannen, ein Teil von Asher - eines von vielen Dingen, die ich an ihm liebte. Ich hatte immer angenommen, dass meine Gefühle für Asher aus Jean-Claudes Erinnerungen stammten, aus der Zeit, wo sie Geliebte waren, Gefährten für über zwanzig Jahre. Doch als ich ihn jetzt betrachtete, merkte ich, dass das nicht alles war.
Ich hatte Erinnerungen an seinen noch makellos glatten Körper. Doch der spielte keine Rolle, wenn ich an Asher dachte. Ich stellte ihn mir immer vor, wie er jetzt aussah, und liebte ihn trotzdem. Ich liebte ihn nicht auf die gleiche Weise wie Jean-Claude oder Richard, aber die Zuneigung war echt, und es war meine eigene. Möglich, dass ich sie erst durch Jean-Claudes Erinnerungen entwickelt hatte, aber worauf sie auch beruhte, ich hegte eigene Gefühle für Asher. Ein bisschen erstaunt stellte ich fest, dass ich noch lange nicht jedem ins Herz blicken konnte. Ich drehte den Kopf zu Jean-Claude und schaute ihn fragend an.
»Um anderen ins Herz zu sehen, muss man erst sein eigenes kennen, ma petite«, antwortete er ohne Vorwurf.
Asher machte ein Gesicht - halb verwundert, halb gequält, als rechnete er mit einer Kränkung. Vermutlich zu Recht. Aber sie wäre keinesfalls beabsichtigt. Die schlimmste Kränkung besteht manchmal darin, dass wir unbedingt eine vermeiden wollen.
Ich beschloss, ihm zu zeigen, was ich fühlte und dachte. Das war das Einzige, was ich ihm geben konnte. Sein Gesicht wurde weicher. Er fiel auf ein Knie, und eine Träne rollte über die glatte Wange. Es lag so vieles in seinem Blick. »Wie du mich ansiehst, heilt Wunden, ma chérie, und reißt neue auf.«
»Liebe kann so scheißkompliziert sein«, sagte ich.
Er lachte und schlang die Arme um meine Taille, drückte die raue Wange an meinen Bauch, und das bedeutete mir mehr als so manches, was er hätte tun können. Ich strich über seine Haare und hielt ihn fest. Ich drehte den Kopf zu Jean-Claude. Sein Blick war abgrundtief, seine Sehnsucht unermesslich. Er spürte Verlangen nach Asher und nach mir. Er wollte zurückhaben, was er vor Jahrhunderten verloren hatte. Einmal hatte er zu Asher gesagt, er sei ein Mal in seinem Leben fast glücklich gewesen, nämlich als er in Ashers und Juliannas Armen lag. Als sie noch lebte und Asher nicht mehr Belle Mortes Goldjunge war. Jean-Claude hatte Asher zum Rat der Vampire bringen müssen, um seine Wunden heilen zu lassen. Jean-Claude hatte hundert Jahre seiner Freiheit gegeben, damit der Rat Asher das Leben rettete. Dann war er geflohen und hatte Asher zurückgelassen, der ihm die Schuld an Juliannas Tod und seiner Entstellung gab. Jean-Claude, der von zweien geliebt worden war, wurde nun von dem einen gehasst, während er den Tod des anderen betrauerte.
Wir sahen uns in die Augen. Sein Blick war wie eine frisch aufgerissene Wunde. Das Sichern der Macht, das Triumvirat war ihm wichtig. Er
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