Anita Blake 12 - Nacht der Schatten
Jean-Claude.« Sie klang heiser, als hätte ihr der Sargaufenthalt die Stimme ruiniert. »Komm, Jason, wir müssen sie aufwärmen.« Jason stand auf wie ein gehorsamer Hund, blutend und mit seligem Gesicht.
In der Tür blieb Jean-Claude stehen und blickte sich um, nicht nach mir, sondern nach Asher. »Ich muss sie ins Bad bringen, damit nicht alles umsonst war. Aber jetzt ist Damian ein Wiedergänger.«
Asher hob die Hand, die an seiner Seite verborgen gewesen war. Sie hielt eine 10 mm Browning, die große Variante von meiner. »Ich werde tun, was nötig ist.« »Wir werden Damian nicht töten«, sagte ich.
Jean-Claude sah mich an, dann Micah, Nathaniel, Gil und die anderen Werleoparden, sogar die Leibwächter. Sein Blick schloss jeden ein und kehrte dann zu mir zurück. »Ich frage dich noch einmal, ma petite: Wen wirst du opfern für deine hohen Ideale?« »Du glaubst, dass er nicht zu retten ist, stimmt's ?«
»Wenn ein Vampir dem Wahnsinn verfallen ist, kann ihn selbst sein Schöpfer nicht immer zur Vernunft bringen.« »Kann ich irgendetwas tun, damit er wieder er selbst wird?«
» Lass ihn saugen, pass auf, dass er dich nicht tötet, und hoffe, dass sein Verstand erwacht, wenn er Blut schmeckt. Wenn dein Blut ihn nicht sättigt, wird Asher es weiter versuchen. Wenn das auch nicht reicht ...« Er zuckte die Achseln; selbst mit Gretchen auf dem Arm sah es elegant aus.
»Ich will nicht, dass er meinetwegen stirbt.« »Wenn er stirbt, ma petite, dann weil er versucht hat, einen der hier Anwesenden zu töten.« Damit ging er hinaus, und Jason trabte gehorsam hinter ihm her.
Vielleicht hatte ich Jean-Claudes Geduld mit mir aufgebraucht oder es bedrückte ihn zu sehr, was er Gretchen angetan hatte. Jedenfalls ließ er mich bei den anderen stehen, die mich fragend ansahen, wie es jetzt weitergehen würde. Und ich hatte keinen blassen Schimmer. Wen sollte ich an den Sarg schicken? Wen war ich bereit der Gefahr auszusetzen?
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Die Antwort lautete natürlich: keinen. Doch schließlich entschieden wir, wer das erste Opfer sein sollte. Ich trug wenig zur Diskussion bei, weil ich mich einfach selbst anbot. Man soll von keinem verlangen, was man nicht selbst zu tun bereit ist. Asher stellte jedoch heraus, dass ich nicht als Erste herhalten durfte, wenn ich Damians Meister werden wollte. Darum wählten sie unter sich, und es war Zane, der letztlich am Sarg stand.
Jeder mit einer Schusswaffe hielt sie durchgeladen in der Hand, nur ich nicht. Ich brauchte beide Hände frei, um ein Körperteil zum Kauen anzubieten. Übrigens mochte ich diese Stellenbeschreibung auch nicht. Aber was mich beunruhigte, war nicht der Blick auf Zanes blassen Rücken, sondern auf Cherrys Gesicht, als sie ihm zusah. Wenn sie solche Angst um ihn hatte, ihm solche Wichtigkeit zumaß, musste es wohl auch bei ihr Liebe sein. Die beiden liebten sich, und er würde bald weinen und um Hilfe schreien, nachdem er die Aasgeier auf sich losgelassen hatte, um sie zu nähren.
Der Sargdeckel war halb geöffnet, als Zane von bleichen I-länden nach vorn gerissen und festgehalten wurde. Blut spritzte auf die weiße Innenauskleidung und über Zanes Schulter. Von Damian konnten wir nur die bleichen Hände und Arme sehen, die um Zartes Rücken geschlungen waren. Es war unmöglich einen Schuss abzugeben.
Jemand kreischte. Ich glaube, es war Cherry. Ich hatte eine Waffe in der Hand, hätte aber nicht schießen können, ohne auch Zane zu töten. Micah und Merle versuchten ihn aus der Umklammerung zu befreien. Zane sank mit einer klaffenden Halswunde nach hinten, und ein Wesen mit blutigen Zähnen und wüsten roten Haaren packte Merle und biss ihm in den Hals. Die Werratten und Asher standen drumherum und warteten auf eine freie Schusslinie, aber die würde es nicht geben, nicht bevor ein anderer stürbe.
Ich drängte mich dazwischen, indem ich Micah beiseite stieß, und drückte Damian die Mündung ans Gesicht, aber Micah versuchte, Merle zu befreien, und bei dem Gerangel konnte ich die Pistole nicht ruhig halten. An Damians blutiger Haut rutschte mir der Lauf weg, und plötzlich sahen mich zwei grüne Augen an und darin war nichts als Hunger. Damian war längst tot. Ich hatte nur noch nicht abgedrückt.
Dann hatte er mich gepackt, schneller, als ich gucken konnte. Ich wurde mit dem Oberkörper gegen die Sarginnenwand gepresst, während meine Beine nach draußen standen. Damian biss mir in die obere Brust.
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