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Anklage

Anklage

Titel: Anklage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Schollmeyer
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Zweifel und meine grundsätzliche Unzufriedenheit. Automatisch stand die Karriere wieder im Vordergrund und die echte Entscheidungsfrage, ob ich dieses Leben so weiterführen wollte und welchen Sinn ich grundsätzlich in meiner Arbeit sah, war aufgeschoben.
    Drei Tage später rief ich den Headhunter an und willigte ein, und noch am selben Tag schrieb ich meine Kündigung. Doch steckte ich sie in meine Aktentasche anstatt sie abzugeben und sofort für klare Fronten zu sorgen.

    Erst zwei Wochen später, am letzten Tag der Kündigungsfrist, nahm ich die Kündigung und ging ins Büro des namensgebenden Partners. Ich klopfte und trat mit weichen Knien ein. Er saß an seinem Schreibtisch und las in einer Akte. Als er mich sah, hellte sich seine Miene auf.
    »Was führt Sie zu mir?«, fragte er und sein Blick fiel auf die Kündigung in meiner rechten Hand. In der Kanzlei war es üblich, dass man in kniffligen Angelegenheiten oder auch Honorarfragen die Meinung des namensgebenden Partners einholte. Dabei war er immer ein sehr guter Ratgeber gewesen.
    »Ich habe etwas Persönliches«, sagte ich leise.
    »Ist etwas passiert?«, fragte er mit echter Anteilnahme.
    »Irgendwie schon. Ich habe ein sehr gutes Angebot einer anderen
Kanzlei und das habe ich angenommen. Ich kündige deshalb.« Mit ausgestrecktem Arm hielt ich ihm die Kündigung hin, die er aber nicht anfasste.
    »Papperlapapp. So ein Unsinn. Sie bleiben. Sie gehören zu uns. Das wissen Sie. Und was das Gehalt angeht, da werden wir etwas tun. Wir haben das schon bei der letzten Partnersitzung besprochen. Sie machen gute Arbeit, also bekommen Sie mehr Geld.« Ich reagierte nicht.
    »Wie viel wollen Ihnen die denn zahlen? Und wer sind die überhaupt?«
    Ich nannte Daten und Fakten.
    »Gut, also wir werden Ihnen genauso viel bezahlen, wenn Sie bleiben. Ab diesem Monat schon.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe aber schon zugesagt.«
    »Kein Problem, wir klären das mit der anderen Kanzlei. Keine Sorge.«
    Ich reagierte nicht.
    Plötzlich nahm das Gespräch eine andere Wendung und er sagte: »Ich habe das Gefühl, es geht um etwas anderes als um Geld. Liege ich da richtig?«
    Ich nickte.
    »Gut, wenn das so ist, dann hoffe ich, dass es das wert ist.
    Dann werde ich Ihnen keine Steine in den Weg legen.«
    »Vielen Dank.« Ich war erleichtert und froh, dass er meine Entscheidung akzeptierte. Ich legte die Kündigung auf den Schreibtisch, verabschiedete mich und ging zurück in mein Büro. Erst Jahre später, bei einem zufälligen Treffen, sagte er mir, was er damals wirklich dachte. Er erkannte meine eigentlichen Motive schon damals besser als ich selbst. Es war ihm nicht verborgen geblieben, dass ich trotz meiner erfolgreichen Arbeit nicht zufrieden war, dass mir etwas fehlte und ich die Chance erhoffte, mit einem Wechsel aus dem jetzigen Fahrwasser zu kommen und meine Vorstellungen woanders erfolgreich
zu verwirklichen. Wie stark mein Leiden an der fehlenden Gerechtigkeit in meiner beruflichen Laufbahn noch werden sollte, das ahnten aber weder er noch ich.

    Am letzten Tag kam mein kettenrauchender Kollege zu mir, um sich zu verabschieden. Eigentlich wäre es ja an mir gewesen, zu ihm zu gehen, aber er kam mir zuvor.
    »Heute ist Ihr letzter Tag, wenn ich richtig informiert bin«, nuschelte er mit einer Zigarette im Mundwinkel. »Ich möchte Ihnen noch viel Glück wünschen auf dem neuen Weg.«
    Ich verstand nicht. Welcher neue Weg? Für ihn wechselte ich doch nur die Kanzlei und den Ort. Sonst nichts.
    »Ja, vielen Dank. Ich bin schon sehr gespannt, welche Fälle mich erwarten«, antwortete ich, ohne meine leichte Verwirrung zu zeigen.
    »Ich hoffe, dass Sie nur noch die guten Fälle bekommen. Alles andere gibt sich dann. Was halten Sie von einem kleinen Bierchen heute Abend?«
    »Sehr gern.« Ich freute mich über dieses Angebot.
    »Um 21 Uhr im Pub?«
    »Gute Idee.«
    »Treffen wir uns dort? Sie werden heute bestimmt zeitig gehen, und das ist auch richtig.« Er deutete auf die Zigarette in seinem Mundwinkel, die schon bis zum Filter geraucht war. »Ich muss rüber, brauche Nachschub.«

    Der Abend im Pub war sehr nett und wir redeten viel. Erst an diesem Tag merkte ich, mit was für einem wertvollen Menschen ich es zu tun hatte. Einem Menschen, der mir an diesem Abend zu sagen versuchte, dass ich nicht den gleichen Fehler wie er selbst machen sollte. Leider habe ich an diesem Abend nicht gut genug zugehört.

14
    Nachts war die Großstadt besonders reizvoll. Die

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