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Anklage

Anklage

Titel: Anklage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Schollmeyer
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vielen Lichter und das pulsierende Leben vermittelten mir ein intensives Gefühl, mitten im Leben zu stehen. In der Kleinstadt war alles sehr überschaubar und monoton gewesen. Man hatte immer die gleichen Lokale besucht und immer die gleichen Leute getroffen. Hier jedoch gab es unzählige Lokale, in denen man fast nie die gleichen Menschen traf. Eigentlich konnte man regelrecht froh sein, wenn man überhaupt jemanden zweimal sah. Und für neu Zugezogene, die noch so gut wie niemanden kennen, galt das besonders. Hier zogen alle immer von einer Location in die nächste. So entstand eine Art Kreislauf. Während diejenigen, die gestern hier waren, sich morgen an einem anderen Platz vergnügten, rückten diejenigen nach, die vorgestern noch ganz woanders gefeiert hatten. Für mich fühlte sich das sehr dynamisch und aufregend an. So kam ein weiterer Aspekt hinzu, der mich von meinem eigentlichen Dilemma ablenkte; ich genoss den Neustart in der Großstadt in vollen Zügen.

    Die neue Kanzlei lag an einer der Prachtmeilen der Stadt, an der sich in der erhabenen Kulisse edler Jugendstilgebäude neben Luxusboutiquen auch eine ganze Reihe von Bars und Clubs befanden. Auf dieser Straße war man zu keiner Tagesoder Nachtzeit allein. Der Eingangsbereich des Hauses, in dem sich die Kanzlei befand, war mit edlem Marmor ausgekleidet und gab dem eintretenden Mandanten gleich ein gutes Gefühl dafür, welche Macht er sich hier kaufen konnte. Über einen innen verspiegelten Aufzug kam man in den zweiten Stock, in dem die Kanzlei lag. Sie war in den Gemeinschaftsbereichen repräsentativ und geschmackvoll eingerichtet. Die jeweiligen
Arbeitszimmer der Anwälte richteten diese ganz nach eigenem Geschmack ein - und auf eigene Kosten. Entsprechend vielgestaltig war das Erscheinungsbild der Räume. Mein Zimmer ließ erkennen, dass sich schon mehrere Anwälte hier versucht hatten. Der Schreibtisch war ein echtes Designerstück, auch wenn die heutigen Möbeldesigner einen solchen Schreibtisch wohl nicht mehr entwerfen würden. Daneben fanden sich teils neue Aktenschränke, die durch Accessoires aus Möbelmitnahmemärkten ergänzt worden waren. Es schien in diesem Zimmer üblich zu sein, seinen persönlichen Stil nur durch einzelne Elemente zu ergänzen, statt das ganze Zimmer durchzugestalten. Offensichtlich hatte dieses Zimmer schon einige Anwälte gesehen und ich deutete das als lange Tradition. Aber vielleicht wurden in diesem Zimmer auch nur die Neulinge untergebracht? Sofort meldeten sich meine Zweifel wieder: »Nicht, dass sie dich nur weggelockt haben, um zu sehen, was du drauf hast, um dich dann wieder wegzuschicken.« Ich versuchte diesen Gedanken zu verdrängen, denn er lähmte mich spürbar. Und das konnte ich an dieser Stelle des vermeintlichen Neuanfangs nicht gebrauchen. Ich musste stark sein.
    Später erfuhr ich von einer Sekretärin bei einem gemeinsamen Mittagessen, dass die Einrichtung dieses Zimmers von der Kanzlei ausnahmsweise geplant war. Für die Straftäter unter den Mandanten wurde diese nicht übermäßig elegante Einrichtung als passend angesehen. Die mit diesen Mandanten verdienten Honorare hätten jedoch eine wesentlich edlere Einrichtung gerechtfertigt.

    Doch wie war eigentlich mein neuer Job freigeworden? Weshalb war der Strafverteidiger, der bisher in diesem Zimmer gearbeitet hatte, durch mich ersetzt worden? Hatte er etwas falsch gemacht und wurde er hinausgeworfen? Und wenn ja, was für einen Fehler hatte er sich zu Schulden kommen lassen?

    Ich wollte nicht denselben Fehler begehen und so fragte ich die Sekretärin bei dem gemeinsamen Mittagessen nach meinem Vorgänger. Sie erzählte mir bereitwillig die spannende Geschichte des entlassenen Kollegen.

15
    Die Entlassung hängt mit einem Fall zusammen«, begann sie und zögerte dann kurz. »Ich erzähle Ihnen die Geschichte, aber nicht mit den richtigen Namen. Sie wissen ja, die Schweigepflicht, und ich hänge echt an meinem Job.«
    Anwaltssekretärinnen müssen eine Verpflichtungserklärung unterschreiben, wonach sie keine Interna der Kanzlei beziehungsweise der Fälle weitergeben dürfen, sonst können ihnen Abmahnungen, die Kündigung oder sogar strafrechtliche Konsequenzen drohen.
    In konspirativem Ton fuhr die Sekretärin fort: »Also, es war der Fall von nennen wir sie mal Julia, der Ihren Vorgänger den Job in der Kanzlei gekostet hat.« Und so erzählte sie mir die Geschichte, wie die Stelle in der Kanzlei freigeworden war.

    Julia war eine hübsche,

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