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Anklage

Anklage

Titel: Anklage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Schollmeyer
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Interessenvertretung. Mein schlechtes Gewissen beschränkte sich auf die angebliche Loyalitätsverletzung gegenüber der Kanzlei.

    Der Samstag war ein sonniger Tag, an dem man den nahenden Frühling schon erahnen konnte. Während ich durch die Kleinstadt fuhr, hatte ich den Kragen meines Mantels hochgeschlagen, um nicht erkannt zu werden. Mein Sicherheitsbedürfnis war schon so stark ausgeprägt, dass es begann, mir sogar die persönliche Freiheit zu nehmen, denn warum in aller Welt sollte ich mich verstecken müssen, wenn ich an einem Samstagmorgen in die nächste Großstadt fuhr? Schließlich
wollte ich dort keine Bank überfallen oder irgendetwas anderes Verbotenes tun, sondern mich nur über meine beruflichen Perspektiven informieren. Mit jedem Kilometer Fahrt in Richtung Großstadt nahmen diese irrationalen Befürchtungen zum Glück ab.
    Im weiteren Verlauf dieses Tages würde ich lernen, dass Handeln besser ist als Theorie und Gedankenspiele. Das war ein großer Schritt für meine Entwicklung, wenn auch nur der erste Schritt.
    In der Großstadt angekommen, stellte ich meinen Wagen in einer öffentlichen Tiefgarage ab und legte den restlichen Weg zum Treffpunkt zu Fuß zurück. Den Mantelkragen hatte ich noch immer hochgeschlagen, meine Zweifel und Unsicherheiten waren zurückgekehrt. Ich wollte nicht riskieren, dass man mich auf dem Weg zu einem Bewerbungsgespräch sah.
    Jeder Schritt wurde schwerer und schwerer. Sollte ich nicht doch besser umkehren? Schnell wieder zum Wagen und dann dorthin zurück, wo ich hergekommen war? Vielleicht sollte ich mich einfach fügen und das weitermachen, was ich bisher tat. Als ich kurz davor war, das Gespräch platzen zu lassen, meldete sich in mir eine Stimme: »Das kann doch nicht dein Ernst sein! Soll das dein Leben sein, nur Geld verdienen? Du wolltest Gerechtigkeit schaffen und vertrittst nur Interessen. Und das nur, weil du viel Geld dafür bekommst. Also, was ist nun der Sinn: Geld verdienen? Sicherheit durch Geld? Reicht das als Maßstab? Vielleicht hast du jetzt die Gelegenheit, einiges zu ändern, vieles besser zu machen. Hör dir wenigstens an, worum es konkret geht.«
    Ich war vor der Tür des Headhunterbüros angelangt. Innerlich aufgewühlt drückte ich auf die Klingel. Dann riss ich mich zusammen und trat ein.

13
    Das Büro des Headhunters war stilvoll eingerichtet: schwarze Möbel, viel Chrom und Glas. Hinter der Empfangstheke saß eine attraktive, freundlich lächelnde Sekretärin, die mich zu einem Wartezimmer brachte und mich mit Kaffee und Keksen versorgte.

    »Schön, dass Sie kommen konnten«, dröhnte plötzlich eine joviale Stimme durch den Raum. Ich erkannte diese Stimme sofort, denn am Telefon hatte sie genauso geklungen. Der Headhunter stand mit halb ausgebreiteten Armen bereits einen Schritt im Wartezimmer und strahlte mich an. Er war ein untersetzter, gepflegter Mann mit solariumgebräuntem Gesicht. »Lassen Sie uns in mein Büro gehen. Da können wir ganz ungestört sprechen«, sagte er und zwinkerte mir zu.
    Kaum hatten wir es uns in seinem Büro bequem gemacht, stieg der Headhunter schon mitten ins Gespräch ein. »Ich hätte da eine sehr interessante Aufgabe für Sie. Und auch noch höchst lukrativ!« Glucksend vor Freude lächelte er mich breit an. »Sie wollen sich doch verbessern, oder?«
    Dann würdigte er ausführlich meine Erfolge - offensichtlich war er bestens über mich und meine Fälle informiert - und erklärte mir, dass ich mein Potenzial unbedingt weiter ausschöpfen sollte. Schließlich nahm er eine dunkelblaue Ledermappe vom Tisch. Er öffnete sie, schaute mich an und reichte mir die Unterlagen. »Das ist also das Angebot, das Sie sich unter keinen Umständen entgehen lassen dürfen.«
    Das Angebot kam von einer der renommiertesten Kanzleien der Großstadt. Sie lag an einer der besten Adressen. Dort sollte ich den Bereich Strafrecht und die zugehörigen Strafverteidigungen führen. Ich war geschmeichelt. Das angebotene Gehalt
verschlug mir den Atem; es lag deutlich über dem, was ich mir vorzustellen gewagt hatte. Wie es so üblich ist, erbat ich mir Bedenkzeit, obwohl ich bereits wusste, dass ich das Angebot annehmen wollte.

    Ich war mehr als erleichtert, denn befürchtet hatte ich Risiko, und jetzt bekam ich Sicherheit. Dieser neue Job bedeutete: Ich konnte weg von dem, was ich hatte, ohne viel ändern zu müssen oder gar weniger zu verdienen. Im Gegenteil. Der wirtschaftliche Aspekt und das Sicherheitsdenken schlugen alle

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