Ankunft
drehte sich um und sah neben sich Theo
liegen. Sie bedachte ihn mit einem schelmischen
Grinsen.
»Also du hast mir dieses unheilige Trio auf den Hals gehetzt«, beschuldigte er sie, ohne zu berücksichtigen, daß sie gleichfalls außer Gefecht gesetzt worden war.
»Dart hat mich verpetzt«, erzählte sie achselzuckend.
»Und ich habe dafür gesorgt, daß ich in meinem Kran-kenzimmer wenigstens in guter Gesellschaft bin.« Sie streckte den rechten Arm aus und zeigte ihm vier ge-klammerte und versiegelte Schnittwunden.
Er faßte nach ihrer Hand und legte den lädierten Arm vorsichtig auf das Lager zurück. »Wie ist das denn
passiert?«
Nachdenklich betrachtete sie die Verletzungen. »Ich erinnere mich nicht genau. Ich glaube, ich holte mir die Kratzer, als wir die Fünf-Meter-Ketsch checkten, die von Bruce Olivine gesteuert wurde. Dart steckte ihre Nase in das Vorluk, als sich das Schiff plötzlich drehte und mein Arm sich irgendwo verfing.«
»Was ist mit deinen Beinen?«
105
Sie strampelte die Decke von einem Bein, das wie der Arm mit Heilpflaster versiegelt war. Ungerührt betrachtete sie die Schürfwunde, die sich vom Knöchel bis zum Oberschenkel zog; die Haut war so tief zerschrammt, daß buchstäblich das rohe Fleisch zu sehen war. Die Innenseite des Beins wies lediglich Blutergüsse auf. »Früher fiel es mir leichter, mich durch enge Öffnungen zu quetschen. War alles halb so schlimm gewesen, wenn ich einen kompletten Tauchanzug getragen hätte. Die Haut wird schon wieder nachwachsen. Aber mir scheint, daß wir noch ein
Weilchen in diesem hübschen Seebad bleiben werden.«
»Und wer hat das Kommando übernommen?«
»Die Ärzte!« erwiderte sie mit rüdem Lachen. »Heh,
ist da jemand?« brüllte sie. »Wir haben Hunger.«
»Bin schon da!« antwortete eine fröhliche Stimme.
Ächzend erhob sich Jim und humpelte aus dem Unter—
stand aus Blattwerk hinaus.
»He, sie kommen!« zischelte Theo. Sie sah ihm hinterher, wie er auf das dichte Gebüsch hinter ihrer primitiven Behausung zusteuerte. »Ach so! Na ja, ich fand schon immer, daß die Männer in dieser Hinsicht von der Natur begünstigt wurden. Wir Frauen haben es da nicht so bequem.«
Der kurze aber notwendige Ausflug zeigte Jim Tillek, daß er schwächer war, als er es sich eingestehen wollte.
Er besaß weniger Widerstandskraft als die schlaffen Farnwedel, die in der leichten Brise schwankten. Um sich von seinen Verletzungen und dem Kräfteverschleiß zu erholen, würde er mehr Zeit brauchen, als ihm zur 106
Verfügung stand. Die gestrigen Anstrengungen
forderten ihren Tribut.
»Du glaubst, es sei gestern gewesen?« zog Theo ihn
übermütig auf, und erst dann merkte er, daß er laut gesprochen hatte. »Jim, mein Junge, du hast volle sechs-unddreißig Stunden geschlafen. Vorgestern wurden wir von diesem infernalischen Sturm überrascht.«
»Großer Gott, und wer …«
Sie griff nach seiner Hand und zog daran. Der leichte Ruck genügte, um seine Knie einknicken zu lassen. Die Luftmatratze federte seinen Sturz ab, doch selbst der milde Aufprall erinnerte ihn daran, daß er außer dem Armbruch noch mehr Blessuren davongetragen hatte.
»Paul hat einen zweiten Schlitten geschickt, mit genü-
gend Helfern und zusätzlich ein Team von Joels Assistenten, die mit Recordern die Strichcodes an den
Frachtstücken scannen – soweit die Etiketten noch vorhanden sind.«
Jim stöhnte auf. Just in diesem Moment wurde der
Vorhang aus belaubten Zweigen beiseite geschoben,
und Betty Musgrave erschien mit einem vollbeladenen Tablett, das sie zwischen Jim und Theo abstellte.
»He, fühlst du dich schon besser, Jim? Und wie geht es dir, Theo?« erkundigte sie sich, zum Glück ohne jene aufgesetzte Munterkeit, die Jim nicht ausstehen konnte.
»Er hat ausgiebig geschlafen und ausgiebig gepin …«
Theo kicherte, als Jim ihr mit einem ärgerlichen Knur-ren das Wort abschnitt.
107
»Schön, dann guten Appetit und haut tüchtig rein!«
entgegnete Betty, die sichtlich aufatmete. »Ihr habt Glück. Heute gibt es Zimmerservice.«
Sie setzte sich auf die Fersen, und Jim hatte den Eindruck, daß sie nicht eher gehen würde, bis sie alles auf dem Tablett verputzt hätten: Heißen Klah natürlich, in Scheiben geschnittenes frisches Obst und noch ofenwarme Brötchen. Heißhungrig fiel er über die Mahlzeit her, nachdem er hastig ein paar Dankesworte gemurmelt hatte.
»Wir haben das Camp nämlich ein bißchen zivilisiert, da du vermutlich lange genug hier
Weitere Kostenlose Bücher