Ankwin - Tod eines Kriegers (German Edition)
Möhre.«
Weißwind war immer noch sehr nervös.
Ankwin sah sich um. Er atmete tief ein, streckte sich durch und ließ beim Ausatmen die Schultern sacken. Sein Körper stand unter leichter Spannung. Mitten in dem Straßengewühl stand er auf einmal ganz ruhig da. Wenn er auf der Jagd war, hatte er das schon oft gemacht. Er nahm all die Gerüche war, den Schweiß vorbeidrängender Menschen, das Essen der Straßenküchen und der Wirtshäuser, den Unrat auf der Straße. Er hörte Weißwind atmen, das brutzelnde Fleisch einer Braterei zwei Häuser weiter und die klimpernden Ohrringe einer Frau, die ein Stockwerk über ihm aus dem Fenster sah. Sein Blickfeld weitete sich. Er konnte die Einzelheiten der Umgebung aus den Augenwinkeln wahrnehmen. Irgendwie sah er alles auf einmal, ohne die Übersicht zu verlieren. Die Getriebenheit der Menschen und ihre Existenzängste konnte er deutlich spüren.
In einer Seitengasse sah Ankwin ein paar Kinder spielen. Sie klatschten in die Hände und sangen dabei einen Kinderreim. »Glut und Blut, das Ei ist rot, kommt Drachenbrut, dann bist du tot.«
Eines hatte eine Binde über den Augen und versuchte die anderen zu finden. Ankwin hatte eine Idee. Dann sah er noch etwas. Ruckartig drehte er sich zu seinem Sattelzeug um und sein Arm schoss hervor.
Ein kleiner, schmutziger Mann zappelte an seiner Hand. Ankwin schaute ihm ungerührt direkt in die Augen. Ungläubig wanderten die Blicke des Männleins zwischen Ankwins Augen und seiner Hand, die stark schmerzte, hin und her. Der junge Herr hielt sie mit eisernem Griff fest und drückte weiter zu. Der Mann zappelte wilder, doch der Krieger bewegte sich kaum. Er blickte ihm nur direkt in die Augen.
»Herr, verzeiht, i ... iii ... ich wollte Euch nur auf die offene Satteltasche aufmerksam machen. I ... Ich bin ein ehrbarer Mann.« Gehetzt schaute er in Richtung der sich nähernden Stadtwache. Die sechs grimmig dreinschauenden Männer waren auf die Situation noch nicht aufmerksam geworden.
Völlig ruhig und leise aber sehr eindringlich sagte Ankwin dann: »Geht.«
Er ließ los. Der Dieb rieb seinen Unterarm, auf dem der rotweiße Abdruck einer großen Hand zu sehen war. Völlig durcheinander keuchte er ein ‚Danke, Herr’, drehte er sich um und hetzte davon. Ankwin schmunzelte und nahm seinen Mantel vom Sattel, legte ihn behutsam über den Kopf des Pferdes und führte es weiter.
Das Haus seines Onkels lag unweit des größten Platzes der Stadt, der Ratswiese. Diese hatte mit einer Wiese nichts mehr gemein. Sie war gepflastert und mit steinernen Bänken bestückt, die sich um eine große fast kreisrunde Senke herum verteilten. Diese Senke bildete das Zentrum. Um die Bänke herum zogen sich unzählige Marktstände und Buden. Der große Platz war vom frühen Morgen bis spät in die Nacht voll von Waren, Düften und dem geschäftigen Treiben der Brakenburger. Nur auf königliche Anordnung, an Feiertagen oder wenn Gericht gehalten wurde, wurde kein Markt gehalten. An diesem Platz hatten die Gründerväter der Stadt die erste Siedlung errichtet und später immer Rat gehalten und Recht gesprochen. Das war bis heute so geblieben.
Die wichtigsten Prozesse und Hinrichtungen wurden seit vielen Generationen hier vollstreckt. So hatte sein Vater Ankwin zumindest erzählt, denn sein Vater war in seiner Funktion als Großfürst schon mehrere Male an Prozessen gegen Landesverräter und Fürstenmörder beteiligt gewesen. Dieses Amt würde wahrscheinlich nie auf Ankwin zukommen, denn er hatte zwei ältere Brüder.
Etwas erschöpft stand der junge Krieger schließlich mit Weißwind vor der zweiflügligen Tür, die ihn um mehr als die Hälfte überragte.
Das Haus musste sich hinter keinem in der Straße verstecken. Die Fenster waren verglast, was Ankwin nur aus der Burgkapelle seines Vaters kannte. Das Fachwerk war rot und die Gefache waren weiß gestrichen. Jedes der Häuser dieser Straße hatte aufwendige Glücksschnitzereien und auch in Stein gehauene Schutzdamönen aufzuweisen. Sie sollten den bösen Blick von Neidern abwenden.
Über der Eingangstür seines Onkels ragte auch so ein Schutzdämon aus der Wand. Er war so gehauen, dass er jeden, der Einlass verlangte, anstarrte. Im Unterschied zu den anderen blickte er aber nicht böse drein, sondern irgendwie schadenfroh und eher hämisch, als würde er sich über den nächsten Fehler seines Gegenübers gleich totlachen. Auf seinem Kopf hatten sich ein paar Flechten angesammelt, ansonsten schien er
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