Ankwin - Tod eines Kriegers (German Edition)
glitzerte etwas am Rand der Asche, das sie wohl zuvor im schummrigen Licht des Raumes übersehen hatte.
Lavielle beugte sich wieder nach unten und griff danach. Sie ging des besseren Lichtes wegen ans Fenster, öffnete ihre Hand und betrachtete den Fund. Es war ein großer Batzen Siegelwachs, der durch die Asche etwas verunreinigt war. Das Besondere daran war, dass das Wachs nicht ganz zerlaufen war. Das Siegel war noch recht gut zu erkennen. Gerade, als sie es sich noch näher anschauen wollte, nahm Lavielle eine Bewegung am Rand ihres Blickfeldes war.
Durch die trüben Butzenglasscheiben sah sie eine runzlige alte Frau entschieden auf das Haus zu gehen.
Der Novizin fuhr es vor Schreck in den Magen. Hektisch steckte sie den Siegelwachsbrocken weg. Sie hatte zwar erwartet, dass sie nicht ganz unbehelligt sein würden, und doch war es etwas anderes, wenn dieser Fall dann eintrat und ein Gesicht bekam. Sie stürmte die zweite Stiege hinauf, rutschte gleich bei der ersten Stufe ab und schlug sich das Schienbein an. Im Anschluss wurde klar, dass nicht nur ein Gelübde eine echte Heilerin von einer Novizin unterschied. Sie war immer gelehrt worden, dass Heilerinnen niemals fluchen. Als sie im zweiten Stock angelangt war, pochte ihr Bein.
Jetzt pochte es auch an der Tür. Wenn Garock öffnete, würde die Frau vielleicht der Schlag treffen oder sie würde ihn durch ihr Geschrei gleich wieder in den Gefängnisturm bringen. Doch wenn Lavielle ihm zurief, die Tür nicht zu öffnen, würde wiederum die Frau genau das hören. Jetzt war Schnelligkeit gefragt.
Sie entschied sich, ihrem ersten Impuls treu zu bleiben und riss eine der Truhen auf. Wahllos griff sie sich eines der oberen Kleidungsstücke. Bevor sie die Treppen wieder hinunterlief, sammelte sie sich noch einmal kurz.
Ein blaues Schienbein war eine Sache, doch wenn sie jetzt fehltrat, konnte sie sich den Hals brechen. Konzentriert und zügig stieg sie hinab. Beim Betreten der ersten Stufe hörte sie, wie unten die Tür geöffnet wurde. Lavielle stockte der Atem.
Keuchend kam sie unten an. Ihr bot sich ein ungewöhnliches Bild. Garock stand vor der Tür und verdeckte die Öffnung komplett. Das Licht der Straße tauchte seinen Rücken in Dunkelheit und ließ ihn noch größer erscheinen.
Schlagartig gingen Lavielle Bilder durch den Kopf, wie sich das Gesicht einer alten Frau starr vor Schreck weitete und langsam den Ausdruck von Panik gewann. Doch was sie nun hörte, passte sogar nicht zu ihrer Vorstellung.
»Wer seid Ihr? Was habt Ihr hier zu schaffen? Was seid Ihr für ein riesiger Kerl. Wollt Ihr wohl zur Seite gehen und einer alten Frau Platz machen. Ihr seid doch kein Einbrecher, oder?« Die Stimme war durchaus nicht unangenehm in der Höhe, aber doch so durchdringend und energisch, dass jeder Hahn neidisch geworden wäre.
Garock trat ohne weitere Anstalten zur Seite und musste sogar den Kopf noch weiter einziehen, da ihm ein mächtiger Deckenbalken im Weg war. An ihm vorbei wackelte die Frau herein, als ob das Haus ihr gehörte.
»Was steht Ihr da und haltet Maulaffen feil? Macht die Tür zu, so warm ist es nun auch wieder nicht und meine Lunge ist nicht mehr die Beste.« Wie auf Kommando war ein Husten zu hören. »Ein Wunder, dass ich den letzten Winter überlebt habe, bei den Preisen fürs Holz. Das kann sich kein Mensch leisten und ich bin doch eine arme, alte Witwe, die es gut meint mit den Menschen. Keiner schert sich um mich, aber ich ...«, während sie durch die Stube wackelte, hob die Alte die Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger und schüttelte sie, »... ja, ich ... ich schau hier nach dem Rechten. Ich, die alte Tibani.«
Garock hatte inzwischen die Tür tatsächlich wieder geschlossen und sich einen bequemeren Platz gesucht. Er blickte zu Lavielle, die immer noch sprachlos am Treppenabsatz stand.
Tibani machte sich an einem kleinen Schrein in der Ecke des Raumes zu schaffen. »Tja, wenn man hier nichts angeboten bekommt, bin ich mal so frei.«
Sie holte einen Tonkrug und einen kleinen Becher aus dem Schränkchen, setzte sich an den Tisch und goss sich eine rote Flüssigkeit ein. »Einfach ein gutes Tröpfchen, das der alte Schiwett hier hat.« Ohne die Novizin oder den Berisi auch nur anzusehen, prostete die Frau einem unsichtbaren Trinkgefährten zu und trank.
»Wisst Ihr, der Likör wärmt mir immer die Knochen so wunderbar.«
Lavielle feixte, sah zu Garock und musterte sein Gesicht. In den erdig groben Zügen waren nur wenige
Weitere Kostenlose Bücher