Ankwin - Tod eines Kriegers (German Edition)
von vielen armen Leuten stammt. Anzunehmen, dass es ebenfalls Schausteller waren.«
Lavielle schenkte noch zwei Becher Likör ein, die sie wieder kommentarlos tranken.
»Wenn man alles zusammenfügt, dann hat Schiwett auf Anordnung Pageronns durch die Stadtwache gezielt Schausteller verhaften und töten lassen. Gleichzeitig hat er sich an ihrer wenigen Habe bereichert. Das erklärt, wie Ihr in die ganze Sache hineingerutscht seid.«
»Du.«
Obwohl Lavielle Garock deutlich verstanden hatte, konnte sie nicht recht glauben oder einordnen, was er gesagt hatte. »Wie bitte?«
»Du.«, wiederholte Garock mit der gleichen ruhigen Betonung.
Jetzt begann Lavielle zu verstehen. »Ach so ... das erklärt, wie DU in die ganze Sache hineingerutscht bist.« Lavielle kniff die Augen zusammen. »Betrachten wir das gesamte Bild, haben wir da noch einen Blutboten, der den ersten Ankläger Brinthardt tötete, Ankwin töten wollte und wahrscheinlich auch Schiwett umgebracht hat. Das heißt, wir haben auf der einen Seite einen Ratsherrn, der Gaukler töten lässt und auf der anderen Seite einen gedungenen Mörder, der die Handlanger des Ratsherrn tötet.«
Die Novizin sah den Krieger mit einer Mischung aus Furcht, Abscheu und brennender Neugier an.
Garock verengte die Augen und Lavielle spürte, dass er irgendetwas nicht verstanden hatte. Sie versuchte sich an ihre gerade eben gesprochenen Worte zu erinnern, was ihr durch den Likör etwas schwer fiel.
»Blutbote? Ein Blutbote, so wurde mir gesagt, ist das Mitglied einer geheimen Bruderschaft von Assassinen. Also ...«
Garocks Blick unterbrach Lavielle und sie versuchte in seinem Gesicht zu lesen, was noch unklar war.
»... A ... Ankwin? Ankwin ist der Neffe des Richters. Er hat mir geholfen, den Ort des Verbrechens in Augenschein zu nehmen. Er ... er ist ein guter Freund.« Verlegen strich sich Lavielle durchs Haar. Irgendwie war ihr die Situation peinlich und sie wollte das Gespräch schnell in eine andere Richtung lenken. Schnell sprach sie weiter. »Aber wer zum Scheiterhaufen hat den Assassine beauftragt und warum sollen so viele Gaukler getötet werden?«
Sie kniff die Augen zusammen und blickte in die Ferne, dann begann sie wieder, laut zu denken. »Der Assassine gab uns den Hinweis auf den Erzherzog ... und der Erzherzog hat zum einen den ganzen Prozess erst losgetreten und er hat dich entlastet.« Nun bekam Lavielle große Augen.
»Der Assassine arbeitet für den Erzherzog!«, sie hatte laut geflüstert, als ob sie sich nicht hatte entscheiden können. Doch dann riss ihr Gedankenstrom unter dem Einfluss eines leeren Magens und dem Likör auf einmal ab. »Was sollen wir jetzt denn bloß tun?«
»Nicht die Vergangenheit bringt weiter, sondern die Zukunft.«
Lavielle schluckte trocken und unterdrückte den Impuls, einen weiteren Likör zu trinken. Der Tag hatte bis jetzt einige Überraschungen für sie bereitgehalten und sie hatte gerade alle Hände voll damit zu tun, sie zu ordnen. In der letzten Nacht war sie mit Ankwin zusammen gewesen; sie war von der Äbtissin zu Ordnung gerufen worden, hatte mit leerem Magen sehr lange beim Heilerdienst helfen müssen, im Anschluss hatte sie als völliger Neuling und Außenseiter einen großen Prozess gewonnen; ihr war ihre anstehenden Weihe eröffnet worden; sie hatte eine Leichenschau durchgeführt und außerhalb ihrer Befugnisse das Haus des toten Stadtkommandanten durchsucht. Und jetzt?
Jetzt war sie auf dem besten Weg, eine unerhörte Sache aufzudecken, die sich anscheinend in den oberen Kreisen der Stadt abspielte. Der schweigsamste Mensch, der ihr jemals begegnet war, saß ihr nun gegenüber und sprach etwas von Zukunft, in ganzen Sätzen!
Doch dann begann Lavielle zu begreifen »Du meinst, wir müssen den nächsten Schritt erahnen.« Wieder drehten sich all ihre Gedanken durcheinander. Sie hätte wohl den zweiten Likör nicht trinken sollen.
»Pageronn.« Erneut hatte Garock seine Gewohnheit und sein Schweigen gebrochen.
»Natürlich. Der Assassine mordet sich nach oben. Erst der Ankläger, dann der Kommandant und dann der Ratsherr.« Doch Lavielle zog die Augenbrauen hoch. »Was aber, wenn Pageronn selbst den Blutboten beauftragt hat?«
Der Gesichtsausdruck ihres großen Gegenübers wurde breiter und man konnte die Zähne sehen. Die Novizin tippte auf ein Lächeln, also lag sie richtig.
»Wir sollten diesen Pageronn also in jedem Fall in Augenschein nehmen. Entweder er soll auch getötet werden oder er hat etwas
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