Ankwin - Tod eines Kriegers (German Edition)
Händler scheuchten ihr Personal und trieben es an, alles zu putzen und zu polieren. Tafeln und Schilder wurden mit neuen Preisen beschrieben. Mägde und Knechte hasteten mit großen Körben und Säcken durch die Menge, um zahllose Erledigungen für ihre Herren zu besorgen. Selbst Kinder schleppten Eimer voller Wasser von den überfüllten und bisweilen auch überforderten Brunnen und vom Fluss zu ihren Häusern oder sprangen aufgeregt zwischen den Erwachsenen herum.
Mit einem Schmunzeln stellte Bermeer fest, dass auch jede Menge Beutelschneider und anderes Gesindel unterwegs waren, um ihre Ernte einzufahren.
Die Stadknechte waren zwar überall zu sehen, hatten aber auch alle Hände voll zu tun.
Am Rand des Ratsplatzes war zum Leidwesen der Händler ein großer Bereich gesperrt worden, in dem Zimmerleute und andere Arbeiter eine Tribüne zimmerten. So wie das Grundgerüst angelegt war, reichte der Platz für mindestens fünfzig Ehrengäste.
Der Blutbote tauchte sein Halstuch in einen der vielen kleinen Brunnen, wrang es aus und drückte sich den kühlen Stoffklumpen in den Nacken. Gleichzeit begutachtete er das Gerüst eingehender, genauer gesagt die Personen, die die Arbeiten beaufsichtigten.
Neben den drei Soldaten und einem Unteroffizier stand noch ein unscheinbarer Bürgerlicher bei den Arbeitern herum, dem alle zu gehorchen schienen. Das war mit Sicherheit ein mittlerer Beamter, den der Rat mit dieser Aufgabe betraut hatte.
Der Bereich war nicht wirklich abgesperrt, aber jeder, der sich zu lange dort aufhielt, wurde von den Stadtknechten verscheucht. Einfach so würde er seine Dienste nicht anbieten können. Er würde sich wohl etwas einfallen lassen müssen.
Bermeer band sich das Tuch wieder um und verschwand in einer der Seitenstraßen. Kurz zuvor war ihm dort eine Baustelle aufgefallen, an der ebenfalls Zimmerleute gearbeitet hatten. Als er den Platz wieder betrat, bahnte er sich seinen Weg durch das bunte Treiben direkt auf das Gerüst zu.
Der untere Teil des Gerüsts war schon fast fertig. Ein Esel half den Arbeitern, die größeren Balken nach oben zu hieven. Bermeer griff in seine Tasche und fühlte sogleich die vertraute Form eines Flugdornsamens. Während er den richtigen Moment abwartete, tat er so, als würde ihn eine Fliege stören. Als es dann soweit war, verscheuchte er die vermeintliche Fliege und warf dabei den Samen. Der landete zielsicher genau dort, wo Bermeer es sich vorgestellt hatte - auf dem Hintern des Esels.
Das graue und eigentlich gutmütige Lasttier ließ ein Schrei verlauten, der eher rostige Scharniere als an ein Tier im Schmerz vermuten ließ, nur war die Lautstärke die eines Stadttores. Wild und entschlossen trabte das Tier an und zog den mächtigen Balken weiter als geplant, sodass sich einer der Zimmerleute die Hand zwischen Balken und Gerüst quetschte.
Im Nu war eine große Aufregung entstanden. Die Arbeiter auf dem Gerüst kletterten schnell zu dem Verletzten und riefen um Hilfe. Die Arbeiter am Boden banden hastig Stöcke zusammen und bereiteten sie zum Hinaufziehen vor. Offensichtlich hatten sie Erfahrungen mit Unfällen.
Die Soldaten waren die Einzigen, die nicht ganz mit der Lage klarzukommen schienen. Erst wollten sie helfen, wussten aber nicht wie oder wo, dann wollte ein Teil von ihnen den Esel einfangen, doch dem war schon sein Treiber auf den Fersen. Schließlich gab der Unteroffizier ein paar Befehle und sie drängten die Menschen zurück, die sich schon um die besten Plätze drängelten, um zu sehen, was geschehen war.
Bermeer stand bereits in der ersten Reihe ganz in der Nähe des Beamten und konzentrierte sich auf dessen Lippen. Er verstand nicht jedes Wort, aber das war auch nicht nötig. Die Körpersprache ergänzte die Lücken und das Gesicht tat ein Übriges.
Dem schmächtigen Beamten war trotz der Aufregung schnell klar, dass er dringend einen Ersatz für den verletzten Zimmermann benötigte, wenn er seinen Zeitplan einhalten wollte. Bermeer rief dem Beamten einen Namen zu und wedelte mit Werkzeug, dass ihm der ahnungslose Zimmermann eine Straße weiter freundlicherweise und völlig unfreiwillig geliehen hatte.
Wenige Augenblicke später gab der Bauaufseher Anweisung, den Zimmermann durchzulassen und zu ihm zu bringen.
»Ihr seid Zimmermann?«, die gespielten Zweifel des kleinen Mannes waren offensichtlich.
Bermeer riss die Kappe vom Kopf und blickte zu Boden. »Ja, Herr, das ist meine Kunst.« – und mein Ziel ist deine Gunst. Der Blutbote
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