Ankwin - Tod eines Kriegers (German Edition)
wurde die Ehre zuteil, heute die Rede für die vielen prächtigen jungen Menschen zu halten, die in Kürze ihr Gelübde ablegen und ihr Leben in den Dienst ihrer Mitmenschen stellen – ein Leben lang. Ja, ich spreche von Euch, liebe Novizen ...«
Die Rede galt zwar auch Lavielle, doch bereits jetzt begann ihre Aufmerksamkeit abzuschweifen. Nun stand sie hier, hatte sich mit ihren Eltern überworfen und viele Entbehrungen in Kauf genommen, um die Ausbildung als Heilerin zu machen. Heute sollte eigentlich ihr Glückstag sein. In wenigen Momenten würde sie ihr Gelübde ablegen und sich ausschließlich dem Dienst an den Menschen verpflichten.
Lavielle war für eine Novizin mit ihren vierundzwanzig Sommern schon beinahe alt. Das hatte den Vorteil, dass sie die Männerwelt schon recht gut einzuschätzen wusste. Ihr hatten bereits oft Männer jeden Alters ernsthaft oder auch mit einem weitaus niedrigeren Ziel den Hof gemacht. Bei keinem hatte sie wirkliche Nähe zugelassen. Dieser war zu ungepflegt, jener war zu alt und ein weiterer hatte es nicht ehrlich gemeint oder war zu dumm und konnte mit ihrem scharfen Verstand nicht mithalten.
Und dann war Ankwin gekommen. Und er hatte sie im Sturm erobert. Ein Lächeln lag auf ihrem Gesicht, als sie an die Nacht mit ihm zurückdachte.
»... schreiten wir nun zum feierlichen Gelübde unserer neuen Heiler und Heilerinnen.«
Jäh wurde Lavielle wieder aus ihren Gedanken gerissen. Was sollte sie nur tun? Sie war sich sicher, Ankwin zu lieben und selbst wenn er sie die letzten Tage gemieden hätte, gab es bestimmt einen Grund. Vielleicht war auch er im Zweifel, genau wie sie? Sie würde ihm auf jeden Fall verzeihen. Doch jetzt galt es. Wo war Ankwin verdammt noch mal? Hektisch hüpften ihre Augäpfel von links nach rechts in der Hoffnung, Ankwin doch noch zu erhaschen. Rasch warf sie einen Blick über die Schulter, doch auch hier war kein Ankwin zu sehen. Dieser eingebildete Landkrieger! Jetzt stand Lavielle wohl vor einer der schwersten Entscheidungen ihres Lebens.
***
Ankwin hatte die beiden Werter gut verschnürt zurückgelassen. Der eine von ihnen war tatsächlich auf die Strohpuppe am Fenster hereingefallen. Der Rest war ein Kinderspiel. Den Werter überwältigen, durch die Versorgungsklappe die Tür entriegeln und der zweite Werter war durch die Überraschung auch kein Problem gewesen.
Einerseits war er stolz, aus so einer Lage selbst herausgekommen zu sein, anderseits quälte ihn ein schlechtes Gewissen, denn die Männer in der Festung taten nur ihren Dienst. Sie hatten nichts Böses getan. Er hoffte inständig, dass sich alles aufklären würde, sonst wäre die Ehre seiner Familie eindeutig befleckt.
Ankwins großes Glück waren die Menschenmassen in der Stadt. Er war nicht die Art Mann, die sich gerne versteckt, aber in dieser Situation war es nun mal nötig. Der Krieger hatte nicht viel Übung im Verstecken, doch selbst für einen völlig unbegabten Menschen war das Untertauchen hier sehr leicht. Ohne Probleme hatte er sich von einem der Hinterhöfe eine paar Kleider stehlen können und lief jetzt als einfacher Schmiedgeselle durch die Menge. Die Haare waren durch die Nächte in der Zelle sowieso zerzaust und nach Ruß, den er sich ins Gesicht schmierte, hatte er auch nicht lange suchen müssen.
Der Bärenfelsener wollte zwar schnellst möglich zu seinem Onkel, aber ihm war klar, dass der als Mitglied des Rates gerade heute alle Hände voll zu tun hatte. Ankwin würde ihn erst spät in der Nacht gefahrlos aufsuchen können.
Onkel Bungad wäre dann sicherlich müde von dem langen Tag und wahrscheinlich auch ziemlich angetrunken. Da war der dicke Mann nach Ankwins Erfahrung am zugänglichsten.
Natürlich hätte er sich den ganzen Tag in irgendeiner Scheune oder Ähnlichem verstecken können, doch Ankwin hatte anderes im Sinn.
Prüfend betrachtete er den Sonnenstand. Bald war es Mittag. Soweit er gehört hatte, sollten die neuen Novizen der Heilergilde ihr Gelübde ablegen. Auch wenn Lavielle Ihres vielleicht noch nicht ablegen würde, so würde sie mit Sicherheit an der Zeremonie teilnehmen. Noch einmal beschleunigte er seinen Schritt, wobei das kaum möglich war und er auch gleich üble Kommentare kassierte, als er drängeln wollte.
Der junge Krieger war sich sicher, dass er es noch bis zur Zeremonie schaffen würde. Eine scheinbar endlose Hatz durch die Menschenmassen später stand Ankwin verschwitzt am Ende einer Gasse, die auf den Ratsplatz führte. Vor
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