Ankwin - Tod eines Kriegers (German Edition)
sein Gesicht. Es war ein einfaches kleines Fläschchen aus farblosem Glas. Darin befand sich noch ein Rest eines weißen Pulvers. Der Verschluss fehlte. Er wusste, der Inhalt konnte einen Bullen in den Schlaf schicken, umso vorsichtiger ging er damit um. Sein Niesreiz hatte ihm gestern Nacht vermutlich das Leben gerettet. Behutsam ging er mit dem Behältnis zum Tisch.
Das Wachs der Kerze wurde nach und nach weicher in seinen Händen. Schließlich hatte er, was er wollte. Die Wachskugel war etwas größer als die Öffnung des Fläschchens. Er drückte sie mit viel Bedacht auf den Flaschenhals und dichtete ihn mit weiterem Wachs ab, dann steckte er es ein. Anschließend wusch er seine Hände gründlich mit Wasser. Den Rest des Wassers schüttete er auf den weißen Fleck unter dem Bett und rief Brinja. Sie sollte das vermeintliche Missgeschick aufwischen. So konnte er sicher sein, dass keiner im Haus mit dem Pulver in Berührung kam.
Der Vormittag war durch das Frühstück und die Untersuchung schon recht weit vorangeschritten. Die Verhandlung auf der Ratswiese würde bald beginnen und er wollte noch vorher mit der schönen Novizin sprechen. Wie hieß sie doch gleich? Lavielle, ja so hieß sie. Ein Name wie ein Frühlingstag. Trotz der Kopfschmerzen gut gelaunt machte er sich zum Gehen fertig.
Plötzlich stand Villon vor ihm. Er war ebenfalls bereit, zu gehen.
»Villon, ich habe noch etwas zu erledigen. Wir treffen uns zur Verhandlung in einem der Bäume an der Ratswiese. Schau noch einmal nach Weißwind.«
Villon schaute etwas überrascht, aber er nickte schnell. Ankwin hatte, was Weißwind betraf, schon beinahe ein schlechtes Gewissen. Er nahm sich fest vor, noch heute mit ihm auszureiten.
Als der junge Krieger kurze Zeit später auf die Straße trat, fühlte er sich körperlich einigermaßen stabil. Dann fiel ihm ein, dass er die Medizin des Heilers gar nicht eingenommen hatte. Na ja, es würde bestimmt auch so gehen. Nach einem kurzen orientierenden Blick in die überfüllte Straße bewegte er sich zielstrebig auf die Ratswiese zu.
Alle größeren Tempel standen dort, also würden die Tempelanlagen der Heiler mit Sicherheit auch dort sein. Mit einer Mischung aus Vorfreude auf die schöne Lavielle, einem flauen Magen und allgemeinem Tatendrang bewegte er sich ziemlich entschieden durch die Menge.
Im Gegensatz zum Vortag war der Himmel bedeckt. Ein schwüler Wind fegte durch die Straßen. Schon nach kurzer Zeit begann Ankwin zu schwitzen. Er kannte seinen Körper gut, schnelles Schwitzen war für ihn normal, wenn er sich anstrengte. Zügiges Gehen durch belebte Gassen sollte ihn jedoch nicht dermaßen anstrengen. Er verfluchte das Pulver. Endlich stand er zwischen den Marktständen und Händlern und blickte sich erneut um.
Im Osten stand der Gefängnisturm, das Gebäude der Stadtwache und das Ratshaus, im Norden begrenzte der Skatrenk die Senke, im Westen waren die Gassen der kleinen Händler und Krämer, und im Süden waren zahlreiche große und kleine Tempel der verschiedensten Religionen.
Doch unter ihnen war die Gilde der Heiler nicht auszumachen. Natürlich nicht. Ankwin schlug seine flache Hand an die Stirn. Er suchte nach einer Gilde und nicht nach einem Tempel. Die Heiler huldigten wie die meisten Brakenburger der heiligen Schlange, der Schlangentempel stand jedoch nicht direkt unter ihrer Obhut. Er erinnerte sich an die Tage seiner Kindheit, als er schon einmal hier war. Sein Onkel hatte ihn über den Markt geführt. Es war an einem hohen Feiertag gewesen. Als sie an dem Tempel vorbeikamen, hatte er viele kranke Menschen gesehen, die behandelt wurden. Die Heiler boten ihre Dienste der Bevölkerung zu bestimmten Gelegenheiten kostenlos an.
Ihr Gildenhaus jedoch stand im Viertel der großen Gilden. Wenn Ankwin nicht alles täuschte, dann lag es östlich in Verlängerung hinter dem Ratshaus. Er hätte jemanden fragen können, doch er wollte auf seine Erinnerung und seinen Instinkt vertrauen.
Wieder begann er, sich zügig durch die vielen Menschen zu bewegen. Der Schweiß lief ihm mittlerweile über die Stirn. Der laue Wind brachte wenig Kühlung. Ankwin hatte die Nachwirkungen des Pulvers anscheinend unterschätzt. Hochmut war der Feind eines jeden Kriegers. Er schalt sich gedanklich für diese weitere Torheit. Ein Gedanke ließ ihn seinen Leichtsinn erst richtig begreifen. Das Pulver war gar nicht sein größtes Problem. Was, wenn der wieselflinke Eindringling von letzter Nacht ihm schon wieder auf
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