Ankwin - Tod eines Kriegers (German Edition)
Bären eben alleine aus seiner Höhle kommen lassen. Sie waren zwar damals auf der Jagd gewesen, aber warum sollte das nicht auch mit Erinnerungen so funktionieren.
Die Magd mit den schwarzen Haaren betrat das Zimmer.
»Verzeiht, hoher Herr, aber der bestellte Heiler ist da.«
»Bring ihn nur herein, Brinja, bring ihn nur herein. Er soll sich gleich zu uns setzen.«
Brinja wollte sich gerade umdrehen, um den Heiler zu holen, als dieser schon den Raum betrat. Er war ein Mann mittleren Alters, der eine hellbeige Robe trug. Sein Haar war bis auf einen schwachen grauen Flaum an den Seiten und am Hinterkopf nicht mehr vorhanden. Sein Gesicht war freundlich und faltenreich.
»Guten Morgen, hoher Bungad, ehrenwerter Richter, Ihr habt nach mir gerufen? Hier soll es einen Notfall geben?«
»Guten Morgen, guter Wejan. Ja, ja, euer Notfall sitzt hier neben mir und trinkt Dünnbier.« Er lachte über seinen zufälligen Reim und wies auf seinen Neffen.
Ankwin hatte gerade den Mund voller Braten und nickte dem Heiler nur sehr deutlich zu. Dieser sah fragend in die Runde. Onkel Bungad bewegte den leicht verwirrten Mann mit einladenden Gesten schließlich dazu, sich an den Tisch zu setzen. Der Heiler entschied sich, seine Verwirrung hinten anzustellen und sich auf die Speisen zu konzentrieren. Schließlich waren die gedeckten Tafeln des Richters legendär. Der Bruder und der Sohn Ruthegarns hatten den nun auch schmatzenden Heiler schnell aufgeklärt und dieser wollte sich Ankwin auf jeden Fall nach dem Frühstück ansehen.
***
Ankwin saß immer noch auf dem Stuhl und der Heiler untersuchte ihn eingehend. So gründlich war der junge Mann noch untersucht worden. Manches, was der Heiler fragte oder machte, war Ankwin nicht ganz klar, aber er ließ es geduldig über sich ergehen. Manchmal saß ihm der Mann einfach nur gegenüber, hatte die Augen geschlossen und führte seine Hände in geringem Abstand über Ankwins Körper.
Nach einer ganzen Weile war der Mann am Ende seiner Untersuchungen angelangt. »Nun, junger Herr, Ihr habt alle Anzeichen einer Vergiftung ...«, der Heiler hob die rechte Braue und schmunzelte etwas, »... durch ein sehr eingehendes Erlebnis mit starkem Bier.«
Ankwin wollte gerade anfangen zu protestieren, doch der Heiler sprach einfach weiter. »Ihr solltet doch wissen, dass der übermäßige Genuss von Starkbier einer billigen Kaschemme solche Folgen haben kann. Ich werden Euch etwas geben, dass Euch wieder auf die Beine ...«
Onkel Bungad hatte so laut angefangen, zu lachen, dass Ankwin den Rest nicht verstand. Zuerst wollte er darauf bestehen, dass man ihm glaubte, doch plötzlich schoss ihm ein Gedanke durch den Kopf. Glaubte man ihm, müsste er seinem Onkel davon in Kenntnis setzen, dass der Ankläger wahrscheinlich ermordet worden war. Doch er hatte das Gefühl, dieses Wissen könnte der Verteidigung zugutekommen. Die Heilernovizin! Er musste sie noch vor dem Prozess sprechen. Ankwin begann, mitzuspielen und lächelte verlegen.
»Na ja, du weißt ja, Onkel, nach unserem Streit gestern war ich ziemlich sauer und dann, den Rest kannst du dir denken.«
Bungad lächelte väterlich. »Aber ja, Ankwin, als ich in deinem Alter war ... ich könnte dir Geschichten erzählen.«
Der Heiler machte ein leicht verdrießliches Gesicht. Er hatte wohl schon zu viele junge Adlige nach einer durchzechten Nacht kurieren müssen.
Nach einer Weile des Schmatzens und Trinkens wagte Ankwin einen Vorstoß. »Werter Wejan, wo halten sich die Novizinnen denn für gewöhnlich auf. Wissen sie, ich habe da gestern eine junge Frau gesehen, die ...«
»Für gewöhnlich fördere ich solche Bestrebungen in keiner Weise und die jungen Novizinnen müssen ihre ganze Aufmerksamkeit auf ihre Ausbildung richten, um zu lernen, dem Volk in der Weise des großen Heilers zu dienen. Deshalb werde ich Euch nicht sagen, dass sich die jungen Novizinnen in dem Trakt hinter dem großen Seelengarten aufhalten, einen eigenen Eingang zum Badehaus und eine Lehrschwester haben, die den Wächtern der königlichen Schatzkammer eine ebenbürtige Gegnerin wäre.« Der alte Mann zwinkerte kurz mit dem rechten Auge. Ankwin grinste breit.
»Hier, das wird Euch stärken. Nehmt je einen Schluck nach jeder Mahlzeit und Ihr seid morgen wieder bei Kräften.«
Der Heiler hielt Ankwin eine kleine Phiole hin. Dieser wollte sie nehmen, doch geriet ihm die Bewegung etwas zu linkisch und sie entglitt ihm. Das Fläschchen fiel und schlug auf den Holzdielen auf.
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