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Anlass

Anlass

Titel: Anlass Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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und schlug mit der Faust nach der Gestalt hinter mir. Im nächsten Moment ergriff jemand mein Handgelenk und hielt es fest.
    »Ich bin’s, Idiot!« zischte Zaleshoff. »Schnell hinaus!«
    Er riß die Tür auf, und wir taumelten hinaus ins Freie.
    »Aber …«
    »Halt den Mund!« fauchte er. »Lauf!«
    Während er das sagte, sah ich schon die Laterne des Vorarbeiters am Ende des Betonsteiges auf uns zuschwanken.
    Wir rannten über die Gleise. Dann verfing sich mein Fuß in einer Schwelle, und ich fiel hin. Zaleshoff zog mich wieder hoch. Hinter uns hörte man Rufe.
    »Schnell, Marlow, hinunter zum Lokschuppen.« Ich sah, wie sich seine Umrisse gegen den dämmernden Himmel abzeichneten. Wir klapperten über die stählerne Drehscheibe, dann auf einen Pfad aus Schlacke und liefen den Güterwagen entlang. Zaleshoff tauchte unter die Kupplung zwischen zwei Wagen. Ich folgte ihm. Auf der andern Seite machten wir halt. Soweit ich sehen konnte, bewegten wir uns in Richtung auf das eigentliche Bahnhofgebäude. Vor uns waren Lichter und ein großer freier Platz mit einem Gewirr von Schienen. Zaleshoff drehte sich um.
    »Hier können wir nicht weiter«, murmelte er. »Wir haben keine Deckung. Sie würden uns sehen, ehe wir zum Bahnhof kommen.«
    Die Rufe kamen näher. Jemand schrie nach mehr Laternen.
    »Kommen Sie«, sagte Zaleshoff, »wir haben nur eine Möglichkeit. Folgen Sie mir und tun Sie genau, was ich tue, aber leise ums Himmels willen.«
    Er ging rasch die Reihe von Güterwagen entlang auf den Lokschuppen und die Männer zu, die uns auf der andern Seite von dort entgegenkamen. Ich konnte schon ihre Schritte hören und die Stimme des Vorarbeiters, der sie zur Eile antrieb. Zaleshoff ging ruhig ein Stück weiter und blieb dann stehen. Einen Augenblick standen wir hinter einem Güterwagen. Dann hörten wir unsere Verfolger rechts von uns vorübergehen.
    »Kommen Sie!« sagte Zaleshoff.
    Wir gingen an der Waggonreihe weiter. Am Ende davon waren vier Viehwagen. Beim ersten blieb er stehen.
    »Aufs Dach«, sagte er, »aber schnell.«
    Er faßte die kleine Eisenleiter und kletterte hinauf. Nur wenig später lagen wir flach auf dem Dach. Ich blickte zurück und sah Lichter am Ende der Reihe. Mein Herz blieb stehen.
    »Sie suchen die Waggons ab«, flüsterte ich.
    »Ich weiß. Bleiben Sie ganz flach liegen und seien Sie still.«
    Ich gehorchte. Meine Nase war neben einem kegelförmigen Ventilator. Kein Zweifel, es war ein Viehwagen, aber ich bemerkte den Geruch kaum. Ich lauschte, wie die Stimmen immer näherkamen. Ich fühlte, wie mein Herz gegen die harte, gewölbte Oberfläche des Waggondaches pochte. Es schienen etwa acht Leute zu sein. Ich konnte die Stimme des Vorarbeiters unterscheiden und die eines andern Mannes, der offensichtlich die Befehle erteilte. Ich nahm an, daß es ein Polizist war.
    »Die werden wir gleich wieder haben«, hörte ich den Vorarbeiter sagen. »Kein Problem. In so kurzer Zeit können sie nicht weit weg sein. Wenn sie umgekehrt sind, laufen sie Ihren Männern in die Arme. Sie entkommen uns nicht. Sobald es etwas heller wird …«
    Der Polizist stieß einen ungeduldigen Ruf aus.
    »Wir können nicht warten, bis es hell ist.« Er machte eine Pause. »Wenn ich sie sehe, schieße ich sofort. Ich glaube nicht, daß die Kerle Landstreicher sind. Daß sie keine Identitätskarte haben, ist sehr verdächtig.« Wieder eine Pause. »Achten Sie darauf, daß Ihre Leute gründlich suchen. Kein Zentimeter dieses Zuges darf undurchsucht bleiben. Verstehen Sie mich?«
    Wieder Stille. Mein Herz klopfte wie wahnsinnig. Dann sah ich schräg neben mir Zaleshoffs Hand langsam an seiner Seite hinuntergleiten. Einen Moment blieb sie so, dann glitt sie wieder langsam hinauf. Beim heller werdenden Licht sah ich einen Revolver in seiner Hand.
    Instinktiv streckte ich meine Hand aus und ergriff seinen Ärmel. Er schüttelte mich ab und schob sich langsam an den Rand des Daches.
    Jetzt waren sie nur noch zwei Wagen von uns entfernt und auf beiden Seiten des Zuges. Ich konnte sie vor Anstrengung keuchen hören, als sie auf die Waggons hinaufkletterten und die Planen zurückschlugen. Dann erschütterte etwas die Seite des Waggons, auf dem wir lagen. Einen Augenblick später wurden die Gleittüren unten zurückgeschoben. Es folgte eine Pause. Sie durchleuchteten offenbar das Innere mit einer Laterne. Einer der Männer brummte »niente« . Dann knirschte ein Stiefel auf der untersten Stufe und jemand begann auf das Dach zu

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