Anlass
hatte.
»Worauf sind Sie eigentlich aus? Wollen Sie vielleicht eine Lokomotive stehlen, und damit davonfahren?«
»Seien Sie nicht so kindisch. Kommen Sie.«
Wir gingen bis ans Ende des Schlackenweges und betraten die Lokomotivenhalle. Es war ein großes Gebäude, im Halbrund gebaut, so daß die Gleise, auf denen die Lokomotiven in den Schuppen fuhren, an der Drehscheibe zusammentrafen. Das Glasdach war ganz schwarz von den Rußablagerungen, und drinnen war es sehr dunkel. Fünf oder sechs Lokomotiven standen hier.
Zaleshoff ging um sie herum, ich hörte ihn befriedigt knurren. Wir blieben stehen. Ich konnte in der Dunkelheit erkennen, daß er mit irgend etwas in der Nähe der Wand herumhantierte. Plötzlich richtete er sich auf und drückte mir etwas Fettiges, Weiches in die Hand.
»Was ist das?«
»Was ich gesucht habe. Ein Lokomotivführermantel. Ziehen Sie Ihren Mantel aus, und ziehen Sie das an. Da ist auch eine Kappe.«
Ich zog den Mantel an. Als sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sah ich, daß er dasselbe tat. Auf dem Kopf hatte er eine Mütze. Er reichte mir eine Kappe mit fettglänzendem Schirm. Der Mantel roch stark nach Kohle, Wagenschmiere und Schweiß.
»Haben Sie noch Ihren Schal?«
»Gut. Geben Sie mir Ihren Mantel und Hut.«
Ich tat es, und er stopfte sie hinter einen Stahlschrank.
»Ich sehe den Zweck von alldem nicht ein«, sagte ich. »Glauben Sie, daß wir nur wegen diesen Mänteln an der Polizei vorbeikommen werden?«
»Nein. Wir werden über die Gleise zum Bahnhof gehen und …«
»Und uns in den Toiletten verstecken, nicht wahr?« warf ich ironisch ein.
»Vielleicht. Gehen wir.«
Einen Augenblick später verließen wir den Schutz des Gebäudes und begannen über die Schienen auf das Ende der Güterwagenreihe zuzugehen, die uns von den Hauptgleisen trennte.
Es war eine aufregende Geschichte. Zur Seite blickend konnte ich sehen, daß Zaleshoffs Opfer gefunden worden war. Sie hatten ihn vom Dach heruntergehoben, und er saß auf dem Boden, den Kopf zwischen den Händen. Eine Gruppe mit dem Vorarbeiter umstand ihn in aufgeregtem Gespräch. Der Polizist ging mit dem Revolver in Anschlag im Eilschritt auf den Lagerschuppen zu. Ein Bahnangestellter folgte ihm aufgeregt. Wir kamen gut über die Geleise in der Richtung auf den Bahnhof zu. Vielleicht waren es meine Nerven oder aber der Mantel des Maschinisten, der viel dünner war als meiner; jedenfalls zitterte ich heftig, als wir den Bahnhof endlich erreichten.
Die Bahnsteige waren so gut wie leer, nur zwei gelangweilt aussehende Milizsoldaten lehnten bei jedem Ausgang gegen die Wand. Ein Mann mit einem fahrbaren Büfett sprach am Ende des Bahnsteiges mit einem Träger. Zaleshoff änderte plötzlich die Richtung und ging auf das Büfett zu.
»Was wollen Sie jetzt?« murmelte ich.
»Wenn das Büfett da ist, wird bald der Nachtzug kommen. Wenn er eine dritte Klasse hat, wollen wir einsteigen.«
»Was ist mit den Fahrkarten?«
»Wir haben Uniformen an, da können wir dritter Klasse frei fahren. «
Wir langten auf dem Bahnsteig an.
Ich glaube, die zehn Minuten, die wir auf den Zug warten mußten, waren die schlimmsten.
Der Himmel war grau, und es hatte ein dünner Regen eingesetzt, aber es war jetzt hell. Der Bahnhof war sehr ruhig, und jedes kleine Geräusch, wie das Schlürfen eines Fußes oder ein Husten, hallte vom Dach wider. Ich bildete mir in meiner überhitzten Phantasie ein, daß uns der Träger, der Büfettmann und der Milizsoldat mißtrauisch anstarrten.
»Um Gottes willen«, murmelte Zaleshoff, »schauen Sie nicht so finster drein. Sie sehen aus, als ob Sie den Bahnhof in die Luft sprengen wollten. Schauen Sie nicht auf die Leute, sehen Sie mich an, und tun Sie, als ob Sie alles wunderbar fänden. Kommen Sie, wir wollen langsam auf das Büfett zugehen. Wir halten uns hier zu sehr abseits. Das fällt auf. Haben Sie Ihre Zigaretten?«
»Ja.«
»Brechen Sie eine in der Tasche entzwei, stecken Sie das eine Ende in den Mund und zünden Sie es an. Wenn die zwei ein Gespräch mit uns anfangen, halten Sie den Mund und lassen Sie mich reden. Ihre Aussprache würde Sie verraten.«
Meine Finger zitterten so, daß ich über eine Minute brauchte, um die Zigarette anzuzünden. Mittlerweile schlenderte Zaleshoff, die Hände in den Taschen, auf das Büfett zu. Ich unterdrückte ein Verlangen, hinter ihm herzulaufen, und folgte ihm langsam. Ich holte ihn ein, als er in die Nähe des Büfetts kam. Der Träger und der
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