Ann Pearlman
und gab mir das Gefühl, willkommen zu sein. Sie nahm das Leben, wie es kam, und akzeptierte es mit Anmut.
Am nächsten Morgen setzte sie uns Müsli vor, nahm uns zu Discount Tires mit, setzte uns bei Aarons Wagen ab und fuhr weiter zur Arbeit. Als der Reifen gewechselt war, brachte Aaron mich nach Hause.
Ich habe großes Vertrauen zu Sissys Liebe und unserer Freundschaft.
Jetzt hat sie es sich neben Allie bequem gemacht, und die beiden Frauen plaudern angeregt.
Wie üblich senkt sich Stille herab, als der DJ auf die Bühne tritt und die Musik einsetzt. Die Spots leuchten auf, die Lichter im Saal erlöschen langsam. Sobald ich die Vibrationen unter den Fußsohlen spüre, überläuft mich das Prickeln von Angst und Vorfreude, es krabbelt die Rückseite meiner Beine hinauf, über meine Wirbelsäule und meine Arme hinunter. Ich bewege die Finger.
»Ich liebe dich, Babe«, sagt Aaron und wendet sich dann an die Crew. »Legen wir los, holen wir uns was von dieser Liebe. Auf geht’s.«
Wir marschieren auf die Bühne, und das Publikum brüllt. Um es gleich in Fahrt zu bringen, beginnen wir mit Prohibitions of Prison . Dann wird Special ernst. Bringt die Crew zum Schweigen und greift sich das Mikro. »Ein paar von meiner Familie sind heute Abend im Krankenhaus in L. A. Deshalb möchte ich einen Moment an Troy denken.« Er neigt den Kopf und fügt hinzu: »Und auch an alle die, denen es nicht so gut geht wie uns.« Zu meinem großen Erstaunen wird es ganz still im Saal, fast so, als wären wir in der Kirche, nicht auf einem Konzert. Das Publikum ist aufgemacht wie immer und etwa zu gleichen Teilen schwarz und weiß. Das sind unsere Leute. Normalerweise schreien sie nach uns, stoßen mit den Fäusten nach unseren Rhythmen in die Luft und singen die Texte mit. Ihre Aufregung ist wie ein Aufputschmittel für mich.
Aber die Stille, die Tatsache, dass Aaron Troy erwähnt hat, trifft mich völlig unvorbereitet, und meine Hochstimmung verwandelt sich schlagartig in Trauer. Ich kneife die Augen zusammen.
»Das ist sein Lieblingssong.« Special dreht sich wieder zur Crew um und sagt: » Believe in me .« Glaub an mich. Dann nickt er mir zu, und ich beginne mit der sanften Musik. Als er an die Stelle kommt, an der es heißt: Ich werde dich lieben, über den Schmerz hinaus, durch den Schmerz hindurch, da denke ich an Sky und wie viel Mut es sie kosten muss, jemanden an sich heranzulassen. Ich denke daran, wie schwer es für mich ist, Aaron an mich heranzulassen, und wir sind noch nie auf die Probe gestellt worden.
Aber dann konzentriere ich mich wieder auf unsere Musik, auf diesen von Liebe erfüllten Text, der aus der Zeit stammt, als ich mit Levy schwanger war. Nun bin ich nur noch die Keyboardspielerin, beobachte Special und seine Signale, behalte Red im Auge, weil er manchmal alleine abhebt und ich ihm folgen muss. T-Bone vollführt seine üblichen erotischen Zuckungen. Jetzt ist das Publikum ein großer schwarzer Schatten, der zu unseren Beats auf und ab springt. Specials schweißüberströmte Haut sieht aus wie geschmolzene Bronze, er tanzt beim Singen, er kann nicht still stehen. Ich auch nicht, aber ich bin an mein Keyboard gefesselt.
Als wir mit dem neuen Song, Recession, anfangen, darf ich Fauré spielen, und ich beginne ganz am Anfang, mit dem langen Ton, der so perfekt ist wie eine Zugpfeife, und ich überziehe den Saal damit, dunkel und hohl und einsam, denn ich brauche diese Musik, ich brauche sie und ihren reinigenden Effekt so sehr. T-Bones sensationelle Stimme trägt den Ton mit mir. Special beginnt mit der Hookline, und bei der Zeile Wie kann ich anders werden, in diesem Spiel, wo der Tod meinen Namen wissen will, stampft und schreit das Publikum. Er sagt die Worte nie als Frage, sondern als Feststellung.
Mitten im Geschrei tritt er zu mir und flüstert: »Ich hab etwas für heute Abend geschrieben, während du mit den Kindern unterwegs warst, und wir haben dran gearbeitet. Spiel du bloß den Schuss ein oder das Reifenquietschen, wo es richtig klingt.«
»Aaron, ich …«
»Du kannst das, Babe. Fühl mich einfach.«
Special nimmt das Mikrofon und beginnt:
Ich hab läuten hören
Wer in Kalifornien auftritt
Der geht durch ein Minenfeld
Ich lasse die gesampelten Schüsse knallen. Draußen, jenseits der grellen Scheinwerfer, spüre ich das Publikum, wachsam, erwartungsvoll. Hat dieser Mann wirklich vor, auf ihrer Bühne, hier im House of Blues, Geschichten von Detroit zu erzählen?
Und dann rappt er
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