Ann Pearlman
setzte sich das ganze Pferd zusammen.
Im Traum ist es mir dann wieder erschienen.
Rachel liegt neben mir, einen Arm über mich gestreckt.
Ich schaue mich in dem Zimmer um, in das wir heute Nacht gestolpert sind. Die Wände sind aus Adobe, in einem hellen Rosa gestrichen. Auf dem Boden große sandfarbene Fliesen. Vor dem Fenster pickt ein Vogel die Kerne aus einem Vogelhäuschen, das in einem Baum hängt.
Ich stehe auf, schnappe mir meinen Kulturbeutel und spaziere aus dem Zimmer auf einen langen Gang mit Türen auf beiden Seiten, bis ich ganz am Ende schließlich das Bad finde.
Ich wandere durchs Haus. Sonst ist noch niemand wach. In der Küche entdecke ich eine Kanne mit frischem heißem Kaffee. An den Wänden stehen Schränke und ein Backofen, in der Mitte eine Kücheninsel mit Spüle und Herd, die Fliesen mit farbenfrohen Tieren und riesigen Blumen verziert.
Ich gieße mir eine Tasse Kaffee ein, ziehe mir meine Kapuzenjacke über und gehe nach draußen. Die Berge werfen ihre Schatten über eine karge Prärielandschaft. Das Pferd, das ich gestern gesehen habe – jetzt erkenne ich auch, dass es eine Stute ist –, scharrt mit seinen breiten Hufen in der Erde. Hinter ihr steht ein schwarzes Fohlen, beobachtet mich interessiert und peitscht mit dem Schwanz. Die grasende Stute hebt den Kopf und wiehert. Ihre Augen – das eine weiß eingerahmt, das andere schwarz – verleihen ihr ein etwas absurdes Aussehen, was gar nicht zu der geisterhaften Kreatur von letzter Nacht passt. Ohne mich aus den Augen zu lassen, trottet sie zum Rand ihrer Weide und hebt die Schnauze.
Ich gehe zu ihr und streichle über ihre Nase, über die erstaunlich weiche, von pieksigen Barthaaren durchsetzte Haut. Das Tier schmiegt sich an meine Hand und hofft auf einen Leckerbissen, aber ich habe nichts.
»Das ist Mija.«
Als ich mich umdrehe, sehe ich einen großen Mann mit einem Cowboyhut und langen grauen Haaren. Er hat ein markantes Gesicht und stechende Augen.
Mija bäumt sich auf, schlägt kurz mit den Vorderbeinen in die Luft und trottet dann wieder am Zaun auf und ab. Wie dünne Fähnchen wehen die Haarsträhnen des Schwanzes hinter ihr her.
Der Mann holt eine Möhre aus der Tasche und gibt sie der Stute, streicht mit der anderen Hand sanft über ihre Stirn und die samtweiche Nase. Sie isst die Möhre und streckt den Kopf über den Zaun, damit der Mann näher kommt und sie weiter streichelt. Mit bebenden Nüstern wiehert sie ihn an.
Ich wusste nicht, dass Pferde einen Menschen lieben können. Es ist mir nie in den Sinn gekommen, dass ein Pferd überhaupt lieben könnte.
Dann trottet auch das Fohlen zu dem Mann, er zieht noch eine Möhre aus der Tasche, eine kleinere diesmal, und gibt sie dem Fohlen. Das stampft und lässt sich am Ohr kraulen.
Jetzt wendet der Mann sich wieder mir zu, wischt die Handfläche am Hosenbein ab und sagt: »Ich bin David. Wir haben schon halb geschlafen, als ihr angekommen seid. Ich hoffe, Allie hat euch alle gut untergebracht.«
»Ich bin Sky«, stelle ich mich vor und schüttle seine warme Hand.
»Du bist bestimmt die Schwester mit der Tochter. Zwei wunderschöne Schwestern – eine mit einem hübschen Sohn, die andere mit einer hübschen Tochter. Was für ein Glück.«
Mija tänzelt herum und will immer noch seine Aufmerksamkeit.
»Sky – da hast du ja einen ziemlich eindrucksvollen Namenspatron«, meint er und schaut zum Himmel empor.
Ich folge seinem Blick, und zum ersten Mal fällt mir auf, dass der Himmel in Horizontnähe blasser ist. Über uns ist er fast dunkelblau, und dazwischen gibt es endlose Blauschattierungen. Die Sonne funkelt, blendend weiß.
»Die Sterne haben ihren Nachtgesang beendet und einen wunderschönen Morgen heraufbeschworen«, sagt David, das Gesicht immer noch zum Himmel gewandt. »Komm, hilf mir, ich muss die Esel füttern.«
Hinter dem Haus, auf einer anderen Wiese, steht ein Heuschober. Zwei Esel traben über die Wiese.
David öffnet den Riegel, und ein dicker Esel zottelt zu uns herüber. David tätschelt ihm den Kopf, zieht mit einem Haken einen Heuballen aus der Scheune herunter, schlitzt den Jutesack auf und wirft das Heu in die Futterraufe an der Wand. Dann reicht er mir einen großen Krug, mit dem ich Hafer in einen Behälter schaufeln kann, und füllt einen Trog mit Wasser. Inzwischen ist noch ein anderer Esel gekommen, um uns zu beobachten.
»Das ist Mohammed. Und das hier Happy Buddha.« Mit einer Kopfbewegung deutet David auf den anderen Esel,
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