Ann Pearlman
Buddha stehen an ihrem Tor und beobachten uns, als wir zum Haus zurückgehen. Unterwegs kommen wir an einem Koi-Teich vorbei, der von einem kleinen Wasserfall gespeist wird. Die Schuppen der dicken orangefarbenen, weißen und gescheckten Fische funkeln im Wasser.
David streckt die Hand in den Teich, und sofort haben die Fische sie umringt. »Hast du schon mal einen Fisch gestreichelt?«, fragt er Levy, der mit ernster Miene den Kopf schüttelt. »Magst du es versuchen? Sunshine wird furchtbar gern gestreichelt, und sie hat noch nie eine Kinderhand gespürt.«
Vorsichtig steckt Levy die Hand aus, und ein orangefarbener Fisch gleitet mit seinem Körper an seinen Fingern entlang.
»Ich auch!«, ruft Rachel und kniet sich neben David, die Fingerspitzen schon im Wasser. Mit der gleichen sanften Konzentration, mit der sie Menschen über die Wange streichelt, berührt sie das Gesicht des Fisches. So hat sie auch das Gesicht ihres Vaters auf dem Computer berührt, am Tag bevor er gestorben ist.
Der Fisch schwimmt hin und her, um möglichst viel von ihrer Zärtlichkeit mitzubekommen.
Der Garten rund um das Haus hat bereits sein Winterkleid angelegt. An den Zweigen hängen nur noch ein paar Beeren, die die Vögel vergessen haben, vertrocknete Stiele von Stockrosen ragen aus dem Boden, beladen mit Samen, und die Erde macht sich bereit für den nächsten Frühling.
David steht auf. »Erstaunlich, nicht wahr, diese Welt, die uns gehört – wir müssen nur unsere Sinne gebrauchen, um sie zu genießen. Happy Buddha hat mir den Sinn des Lebens noch nicht verraten, aber für mich ist es einfach das hier …« Er schwenkt die Arme über das Tal. »Das hier in seiner ganzen Pracht. Dieser Planet, den man uns geschenkt hat. Es gibt kein Warum, es gibt keine Gerechtigkeit … wir haben alle das Glück, dass wir hier geboren sind, das Glück, dass wir diesen Tag, diesen Atemzug geschenkt bekommen. Jeden Tag erwache ich und fühle mich geehrt. Jeden Tag spüre ich, dass ich lebe.«
Als ich über die Erde blicke, taucht wieder ein Präriehund auf und sieht mir diesmal direkt ins Gesicht. Wir starren uns an, bis Aaron sich zu mir gesellt. Die Kreatur bellt und verschwindet blitzschnell in ihrem Loch.
»Erinnert mich an Detroit«, sagt Aaron mit einem Blick über die Hochebene und den Berg in der Ferne.
Ich wende mich zu ihm um und merke, dass er sich einen Schnurrbart hat wachsen lassen, was seine Oberlippe ganz weich erscheinen lässt. »Wie das? Ich kann mir kaum etwas Unterschiedlicheres vorstellen.«
»Als ich klein war, hab ich mich oft aufs Dach hochgeschlichen. Hab geschrieben und die Tauben gefüttert, die sich da oben rumgetrieben haben. Ich war vom Himmel umgeben, wie hier, und die Dächer der anderen Häuser waren die Berge.« Er nickt zu dem Gipfel. »Der Verkehrslärm klang nur gedämpft zu mir herauf, die Straßenschluchten lagen weit unter mir – so ähnlich wie die Erdwälle, hinter denen die Präriehunde sich verstecken.« Er geht in die Hocke. »Es fühlt sich genauso an. Bei beidem spürst du, was groß und was klein ist.«
»Du denkst an Tara.«
»Immer wenn ich meine, jetzt hab ich sie verstanden, dann tut sie etwas, was alles verändert.«
»Mir geht es genauso, und ich kenne sie schon mein ganzes Leben.«
Langsam steht er wieder auf, und seine schwarzen Augen glänzen. »Sie versucht, das zu kriegen, was sie will, und sie hat Angst, jemandem zu verraten, was genau das ist.«
»Ich weiß, dass sie dich liebt. Man merkt es nicht immer, weil sie es so gut verbirgt, auch aus Angst.«
»Das weiß ich.« Er schüttelt den Kopf. »Aber sie könnte all die Wunder kaputtmachen, die wir erschaffen haben. Unsere Familie.« Er deutet zu Levy, der mit den Männern der Crew einen Erdklumpen hin und her kickt, und dem Tourbus. »Aber wir schaffen das«, meint er achselzuckend.
Er hat das genau durchdacht. »Du denkst an die Zukunft«, bemerke ich.
»Nichts würde beim Alten bleiben.« Seine Stimme wird ganz sanft, und er schaut weg, als wollte er nicht, dass ich seine Augen sehe.
»Ja, ich weiß.«
Auf einmal berührt er meinen Arm. »Ja, das stimmt.« So stehen wir nebeneinander, vor dem verschneiten Berggipfel, und die Tauben tanzen über den blauen Himmel.
Nach einer Weile räuspert sich Aaron. »Du machst weiter, und vielleicht ist es wirklich das Beste, was man tun kann. Troy war ein besonderer Mann. Er hat mir viel geholfen, zum Beispiel damit, dass er vorgeschlagen hat, wir sollen uns juristisch
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