Ann Pearlman
sicher, warum. Weil mein Rock nur über den halben Schenkel reicht? Weil ich vom Weinen so fertig aussehe? Aber dann wird mir klar, dass es Smoke ist! Es ist die Tatsache, dass ich mit einem schwarzen Mann im Auto sitze.
Es gefällt mir nicht, wie der Cop mich anstarrt, statt sich um Smokes Führerschein zu kümmern.
»Wo sind die Mietwagenpapiere?«
Ich öffne das Handschuhfach, hole die zusammengefalteten gelben Dokumente heraus und gebe sie dem Mann. Einen Moment erinnere ich mich nicht, wessen Name daraufsteht, aber dann wird mir klar, dass es der von Smoke ist. Thomas Johnson. So heißt er also offiziell.
Dann wendet sich der Cop an mich: »Ihren Ausweis möchte ich auch gern sehen.«
»Ich bin nicht verpflichtet, mich auszuweisen. Ich fahre nicht.« Sofort versuche ich, juristisch zu denken, aber mit den texanischen Gesetzen kenne ich mich leider überhaupt nicht aus. Aber ich bin sicher, dass der Kerl einen hinreichenden Verdacht braucht, wenn er das Auto durchsuchen will.
Der Cop runzelt die Stirn, aber gerade als ich ihm erklären will, dass ich Anwältin bin, blafft er Smoke an: »Kommen Sie mal mit«, und die beiden gehen zum Streifenwagen. In seinen weiten Jeans und dem T-Shirt wirkt Smoke dreimal so groß wie der schmächtige Bulle. Der lässt ihn auf dem Beifahrersitz Platz nehmen.
Auf dem Beifahrersitz? Wenn Smoke ein gefährlicher Krimineller wäre, würde er den Cop einfach umbringen und weiterfahren. Ich sehe auch überhaupt nicht ein, warum wir anhalten müssen, wenn wir gerade mal fünf Meilen zu schnell gefahren sind. Ich erinnere mich, wie Troy und ich einmal gestoppt wurden. Er war fünfzehn Meilen schneller gefahren, als die Geschwindigkeitsbegrenzung zuließ, und das auf einer kurvigen kleinen Landstraße. Damals hat der Cop uns angeschaut, Troys Führerschein überprüft, festgestellt, dass alles in Ordnung war, und Troy kurz verwarnt. Troy bekam nicht mal einen Vortrag zu hören, nur einen einzigen Satz. »65 Meilen pro Stunde sind einfach zu schnell für so eine Straße. Deshalb liegt die Geschwindigkeitsbegrenzung bei 50.« Fertig, aus. Er wolle ja nicht, dass irgendwas passiert, zum Beispiel ein Unfall, fügte der Cop noch hinzu. Übrigens war es das dritte Mal in diesem Jahr, dass Troy eine Verwarnung bekam – und er ist immer zu schnell gefahren! Aber er hatte eine gute Nase für Kontrollen, und wenn er doch mal angehalten wurde, hat er sein Babyface gezeigt und war so höflich, dass keiner ihm auch nur einen Strafzettel verpasst hat. Kein einziges Mal hat er erwähnt, dass er Anwalt ist. Er hat sich verwarnen lassen und sich bei dem Officer bedankt.
»Eines Tages wird man dich aber erwischen, und dann steigt die Versicherung«, hab ich immer wieder gesagt.
Aber er hat überhaupt nicht darauf reagiert.
Troy mochte den Kitzel der Gefahr und den Geschwindigkeitsrausch. Wie beim Springen – durch die Luft sausen und kurz vor dem Eintauchen noch einen Salto schlagen.
Wenn ich ihn gewarnt habe, dass es eines Tages garantiert einen Unfall geben würde, meinte er nur ungehalten: »Sag doch so was nicht!« Und damit war der Fall erledigt.
Niemand hat Troy jemals aussteigen lassen. Weder in Kalifornien noch in Michigan, noch in irgendeinem Staat dazwischen. Wo sind wir sonst noch angehalten worden? Colorado. Kansas. Niemand hat ihn je in einen Streifenwagen steigen lassen. Ist das womöglich normal in Texas?
Ich wühle in meiner Handtasche, fische mein Handy heraus und drücke Taras Kurzwahl.
Sie antwortet sofort. »Hey.«
»Hör mal, wir sind von einem Cop angehalten worden. Er hat Smoke in den Streifenwagen mitgenommen.«
»In den Streifenwagen? Will er ihn verhaften?«
»Keine Ahnung. Sie sitzen beide im Streifenwagen.«
»Weshalb?«
»Er hat uns angehalten, weil wir fünf Meilen zu schnell waren.«
»Das ist doch ein Witz. Bleib am Telefon und rede weiter. Wir kommen zurück.«
Also warte ich und rede mit Rachel, die immer nur sagt: »Mommy. Mommy. Pizza. Pizza ist unser Liebling. Können wir heute Abend Pizza essen?« Vermutlich hat sie das von Levy. Ich rede mit ihr, ohne den Rückspiegel mit dem schwarzen und dem weißen Mann aus den Augen zu lassen. Smoke starrt zum Fenster hinaus, der Kopf des Cops ist gesenkt.
Es kommt mir vor, als sitzen sie schon stundenlang im Auto. Smoke schaut den Polizisten nicht an, sondern blickt auf die sandige Ebene hinaus, zum Horizont oder vielleicht auch auf eine der Werbetafeln mit der Aufschrift GIRLS ! Ich weiß nicht, ob er
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