Ann Pearlman
Augen so fest zusammen, dass seine Pupillen verschwinden. Dann wendet er sich von mir ab und fängt an, wahllos Sachen aus dem Möbelwagen zu zerren und auf den Seitenstreifen zu werfen.
»Hey, Vorsicht mit dem Bild!«, protestiere ich. »Und das ist der Hochstuhl meiner Tochter!«
Rachels Stuhl landet auf dem Seitenstreifen, ein Monstrum aus Plastik und Metall, auf dem Tischchen noch die mit einem Saugnapf festgeklebte Spielzeugbiene. Die alberne Unschuld des achtlos weggeworfenen orange-neongrünen Spielzeugs in Kombination mit der Tatsache, dass Rachel nicht bei mir ist und ich irgendwo zwischen der Grenze von Texas und Amarillo vor den Relikten meines vergangenen Glücks stehe, ist zu viel für mich, und ich fange an zu schluchzen.
Smoke legt mir den Arm um die Schulter, ich verkrieche mich an seiner breiten Brust. Wieder geht mir das Bild von Rachel durch den Kopf, wie sie schlaff auf dem Rand des Swimmingpools liegt, reglos, ohne zu atmen, mit geschlossenen Augen und mit patschnassen Haaren, während Smoke mit seinen Pranken behutsam auf ihren zarten Brustkorb drückt.
»Ihr geht es gleich wieder besser«, sagt Smoke zu Whitlock.
»Ihr Baby?«, fragt der Polizist und deutet auf den umgefallenen Hochstuhl und dann auf Smoke.
»Nein, nicht meines. Der Stuhl gehört ihrer Tochter, die im anderen Auto mitfährt, ein Stück vorneweg. Ihr Mann ist grade gestorben«, erklärt er mit Blick auf mich.
»Na ja, ich schau mir das mal an, dann können Sie weiter«, sagt Whitlock erstaunlich zahm und sichtlich betroffen von meinem Schluchzen.
Im gleichen Moment hält hinter uns das Auto mit Allie, Tara, Levy und Rachel. Allie und Tara steigen aus, Rachel schreit von ihrem Autositz: »Mein Hochstuhl! Meine Google-Biene!«
Die Hand auf dem Gürtel, brüllt Whitlock: »Setzen Sie sich wieder in den Wagen, sonst muss ich Verstärkung anfordern.« Tara geht zurück zum Honda, und Whitlock zieht die Schubladen unserer Kommode auf, wo er zusammengerollte T-Shirts, gefaltete Jeans und Unterwäsche findet.
Rachel krakeelt weiter nach ihren Sachen.
Aus einer anderen Schublade plumpsen Haargummis, Haarreifen und Haarklammern. Make-up. Whitlock öffnet eine Kiste mit Büchern und zieht eines heraus. Einführung in die kalifornische Rechtsprechung (Schadenersatzrecht 5 ) , steht auf dem Ledereinband. Er runzelt die Stirn und schaut mich fragend an.
»Sie sind Juristin?«
Ich nicke stumm.
Wortlos legt er das Buch in die Kiste zurück, schließt den Deckel und wischt sich die Hände an seiner Bügelfaltenhose ab. Allie und Tara beobachten ihn, aber er wendet ihnen den Rücken zu, während er noch eine andere Kiste öffnet, in der die Kupferpfannen sind, die Mom mir zur Hochzeit geschenkt hat. Dann einen Haufen von Rachels Trinkbechern und ihr Lieblingsteller.
Schließlich wirft er das Geschirr in die Kiste zurück und springt vom Möbelwagen herunter.
»Steigen Sie ein«, befiehlt er uns.
Ich hole tief Luft. »Ich möchte meine Sachen wieder einpacken. Kann meine Schwester mir helfen?« Zum ersten Mal in meinem Leben möchte ich Tara bei mir haben. Ich bettle diesen Mann nicht an, obwohl ein Teil von mir dem Impuls kaum widerstehen kann. Ich fühle mich hilflos diesem schmächtigen Jungen gegenüber, der sich in seiner blauen Uniform und der Pistole am Gürtel so mächtig vorkommt. Er nickt.
»Helfen Sie ihr«, sagt er und deutet auf Tara. Dann geht er zum Streifenwagen, steigt ein, schreibt etwas, kommt wieder und überreicht Smoke einen Strafzettel. »Hier ist Ihr Strafzettel wegen überhöhter Geschwindigkeit, Mr. Johnson.« Das »Mr.« sagt er betont ironisch und feindselig. »Sie sind jetzt in Texas. Also halten Sie sich an die Gesetze.«
Smoke hält den Blick gesenkt, aber sein Kiefer mahlt zornig.
»Was für ein blöder Scheiß«, stößt Tara zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Ich umarme sie. »Ich hatte keine Ahnung, Tara«, sage ich und gebe ihr einen Kuss.
Sie zieht die Augenbrauen hoch und grinst – erfreut und ein bisschen überrascht.
Tara und Allie fahren wieder los. Smoke und ich setzen uns in den Möbelwagen zu den Überresten von Troys und meinem Leben. Wir sind in Sicherheit. Aber ich fühle mich zutiefst verletzt.
»Es tut mir leid.« Ich räuspere mich, meine Stimme klingt immer noch ganz kloßig vom Heulen.
»Du bist ja nicht der verdammte Cop.«
»Dass du mit mir unterwegs bist, hat alles noch schlimmer gemacht.«
»Vielleicht. Aber auch das ist nicht deine
Weitere Kostenlose Bücher