Ann Pearlman
ein Vorstrafenregister hat oder ob womöglich irgendwo ein Haftbefehl gegen ihn vorliegt. Ich kenne ja nur einen kleinen Teil von ihm. Tara behauptet, er hat mit Drogen nichts zu tun. Und er hat Rachel das Leben gerettet. Aber ich habe keine Ahnung, was in seiner Akte steht. Vielleicht muss er ins Gefängnis. Mir fällt alles Mögliche ein, was ich in den Nachrichten gesehen und in der Zeitung gelesen habe. Polizisten haben Schwarze totgeprügelt, mit Schlagstöcken vergewaltigt, aufgrund fingierter Beweise eingesperrt. Wahrscheinlich ist Smoke ein guter Sündenbock. Ein typischer Schwarzer. Dunkel, groß, breit. Der schmächtige Kerl im Streifenwagen weiß nicht, wie nett Smoke ist, dass er eine Trommel zum Weinen bringen kann, dass er einem kleinen Mädchen das Leben gerettet hat.
Was soll ich tun, wenn sie Smoke verhaften? Vielleicht sollte ich in der Gegend bleiben und ihn verteidigen. Aber ich habe keine Lizenz für Texas. Und ich bin auch keine Strafverteidigerin.
Aber ich kann der Situation nicht einfach den Rücken zuwenden. Auf einmal ist mir das ganz klar. Noch vor ein paar Minuten hätte ich bis in alle Ewigkeit auf dieser schnurgeraden Straße weiterfahren können. Irgendwohin. Aber jetzt ist mir plötzlich etwas wichtig.
Smoke sitzt immer noch auf dem Beifahrersitz und starrt aus dem Fenster. Regungslos, soweit ich sehen kann, wie versteinert.
Ganz gleich was der Computer ausspuckt, Smoke hat ein Anrecht darauf, dass sich jemand für ihn einsetzt, ihn beschützt.
Bestimmt glaubt der Cop, dass wir zusammen sind. Ein Liebespaar. Partner, Komplizen. Ich werfe einen Blick auf mein Kleid und merke, dass ich ziemlich abgerissen aussehe. Gott, womöglich hält er mich für eine Prostituierte.
»Sie sitzen immer noch im Auto. Der Cop schreibt irgendwas«, informiere ich Tara.
»Du wirst gerade Augenzeugin, wie es ist, wenn man schwarz ist und Auto fährt«, antwortet Tara. »Aaron hat mal einen Strafzettel gekriegt, weil der Seitenspiegel einen Sprung hatte. Der Seitenspiegel. Und ich hab einen gekriegt, weil ich ein Stückchen über ein Stoppschild gerollt bin. Da saß Sissy bei mir im Auto und hatte eine Baseballkappe seitlich auf dem Kopf, weil sie das so schick findet. Ich vermute, der Polizist dachte, sie wäre ein Kerl.«
»Ja, und Troy hat nur Verwarnungen kassiert, als Lohn dafür, dass wir weiß sind. Weiß und Mittelschicht.«
Tara lacht. »Ja, er war ein echter Raser.«
»Ich war ja so was von ahnungslos, Tara. Keinen Schimmer hatte ich davon, was ihr alles durchgemacht habt. Jetzt krieg ich anscheinend auch mal eine Kostprobe davon.« Zum ersten Mal wird mir bewusst, was ihre Liebe zu Aaron sie gekostet hat und wie nüchtern sie mit dem alltäglichen Rassismus umgeht. Mir wird warm ums Herz, und die Distanz zwischen uns wird auf einmal viel kleiner.
Jetzt steigen der Cop und Smoke aus und gehen wieder auf den Möbelwagen zu. »Sie kommen«, teile ich Tara mit. Mein Herz pocht laut in meinen Ohren.
Die beiden Männer fummeln an der Tür des Möbelwagens herum. Sie geht auf.
Ich steige aus und stolpere auf etwas wackligen Beinen zu ihnen.
»Habe ich Ihnen vielleicht gesagt, Sie sollen das Fahrzeug verlassen?«, herrscht der Cop mich an. Seine Marke reflektiert das Sonnenlicht und blendet mich. Auf dem Namensschild darüber steht James Whitlock. Seine Haut ist rosa, der Schild an seiner Mütze überschattet sein Gesicht. Sein Hals ist dünn wie der eines Jungen.
Ich hole tief Luft. »Das da drin sind meine Sachen.«
»Das sind Ihre Sachen?«
»Ja.«
»Ich möchte den Inhalt dieses Wagens überprüfen.«
»Dafür brauchen Sie einen hinreichenden Verdacht.«
»Er hat das Gesetz gebrochen«, entgegnet der Cop mit einer Kopfbewegung zu Smoke. »Mr. Johnson hat die Geschwindigkeitsbegrenzung überschritten.«
Er taxiert mich von oben bis unten. Mein Strickkleid war perfekt für Südkalifornien, aber für West-Texas ist es eindeutig zu knapp. Darüber meine graue Sweatjacke. Ich habe eine Hand in die Kängurutasche gestopft, in der anderen halte ich das Handy. An den Füßen trage ich Flipflops. Ich habe mir keine Gedanken über mein Äußeres gemacht. Fast hätte ich vergessen zu duschen.
»Wir sollen alles ausladen? Hier?«
»Ich kann Sie auch mit aufs Revier nehmen.«
Aus dem Handy höre ich Tara schreien.
Da ich den Verdacht habe, dass auch James Whitlock sie hören kann, wende ich mich hastig ab.
Whitlocks Nacken wird knallrot, er verzieht wütend das Gesicht und kneift die
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