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Anna Karenina

Anna Karenina

Titel: Anna Karenina Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lew Tolstoi
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diesem laut und in ärgerlichem Tone redete.
    Sie wandten sich gerade um, um zurückzugehen, als sie plötzlich nicht mehr nur ein lautes Reden, sondern
    geradezu ein Schreien hörten. Ljewin war stehengeblieben und schrie, und auch der Arzt war nun in Erregung
    gekommen. Eine Menge Menschen sammelten sich um die Streitenden. Die Fürstin und Kitty entfernten sich eilig; der
    Oberst aber gesellte sich zu dem Menschenschwarm, um zu hören, was es denn gäbe.
    Nach einigen Minuten holte der Oberst sie wieder ein.
    »Was ging da eigentlich vor?« fragte die Fürstin.
    »Es ist eine wahre Schande!« antwortete der Oberst. »Wovor man sich geradezu fürchten muß, das ist, mit Russen
    im Auslande zusammenzutreffen. Dieser lange Herr hat sich mit dem Arzte gezankt, ihm Grobheiten gesagt, weil er ihn
    falsch behandle, und sogar mit dem Stocke ausgeholt. Es ist geradezu eine Schande!«
    »Ach, wie greulich!« sagte die Fürstin. »Nun, und wie hat denn die Sache geendet?«
    »Zum Glück hat da eine Dame eingegriffen ... diese Dame mit dem pilzförmigen Hute. Sie scheint eine Russin zu
    sein«, antwortete der Oberst.
    »Mademoiselle Warjenka?« fragte Kitty freudig.
    »Jawohl, jawohl. Die fand schneller als die andern Leute das richtige Mittel: sie faßte diesen Herrn unter den
    Arm und führte ihn weg.«
    »Sehen Sie wohl, Mama!« sagte Kitty zu ihrer Mutter. »Und da wundern Sie sich noch, daß ich von ihr entzückt
    bin!«
    Vom folgenden Tage an bemerkte Kitty bei der Beobachtung ihrer unbekannten Freundin, daß Mademoiselle Warjenka
    nunmehr auch schon zu Ljewin und der Frauensperson, die dieser bei sich hatte, in demselben Verhältnis stand wie zu
    ihren anderen protégés 2 . Sie trat zu ihnen, redete
    mit ihnen und diente der Frau, die keine einzige fremde Sprache sprach, als Dolmetscherin.
    Kitty setzte nun ihrer Mutter noch mehr mit Bitten zu, sie möchte ihr doch erlauben, mit Warjenka eine
    Bekanntschaft anzuknüpfen. Und so unangenehm es der Fürstin auch war, sozusagen den ersten Schritt zu einer
    Bekanntschaft mit dieser Frau Stahl zu tun, die sich so viel zu dünken schien, so stellte sie nun doch Nachfragen
    über Warjenka an, und nachdem sie von verschiedenen Seiten eine Auskunft erhalten hatte, aus der sich entnehmen
    ließ, daß von dieser Bekanntschaft nichts Schlimmes, wenn auch nicht eigentlich sonderlich viel Gutes zu erwarten
    war, so ging sie selbst zuerst bei Gelegenheit auf Warjenka zu und machte sich mit ihr bekannt.
    Sie hatte dazu einen Augenblick gewählt, da ihre Tochter zum Brunnen gegangen, Warjenka aber vor einem
    Bäckerladen stehengeblieben war.
    »Gestatten Sie mir, Ihre Bekanntschaft zu machen«, sagte sie mit ihrem würdevollen Lächeln. »Meine Tochter ist
    ordentlich verliebt in Sie. Sie kennen mich vielleicht nicht. Ich ...«
    »O doch; das ist ja auch viel natürlicher, als daß ich Ihnen bekannt sein könnte, Fürstin«, erwiderte Warjenka
    eilig.
    »Was haben Sie gestern für ein gutes Werk an unserm bedauernswerten Landsmann getan!« sagte die Fürstin.
    Warjenka errötete.
    »Ich wüßte nicht; ich habe ja wohl eigentlich gar nichts getan«, versetzte sie.
    »Gewiß doch! Sie haben diesen Herrn Ljewin vor ernsten Unannehmlichkeiten bewahrt.«
    »Ach, sa compagne 3 rief mich an, und da suchte
    ich ihn zu beruhigen; er ist sehr krank und war mit seinem Arzte unzufrieden. Ich bin es gewohnt, mit solchen
    Kranken umzugehen.«
    »Ja, ich habe gehört, daß Sie in Mentone mit Madame Stahl, wenn ich recht unterrichtet bin, Ihrer Frau Tante,
    zusammen wohnen. Ich habe ihre belle-sœur gekannt.«
    »Nein, sie ist nicht meine Tante. Ich nenne sie maman, bin aber nicht verwandt mit ihr; ich bin nur von ihr
    erzogen worden«, antwortete Warjenka und errötete dabei wieder.
    Das sagte sie so schlicht und natürlich, und auf ihrem lieben, guten Gesichte lag ein solcher Ausdruck von
    Wahrhaftigkeit und Offenheit, daß die Fürstin begriff, warum Kitty dieses Fräulein Warjenka so liebgewonnen
    hatte.
    »Nun, und was wird dieser Ljewin jetzt tun?« fragte die Fürstin.
    »Er reist ab«, erwiderte Warjenka.
    In diesem Augenblicke kam Kitty vom Brunnen her hinzu, strahlend vor Freude darüber, daß ihre Mutter eine
    Bekanntschaft mit ihrer unbekannten Freundin angeknüpft hatte.
    »Nun, siehst du, Kitty, dein heißer Wunsch, die Bekanntschaft von Mademoiselle ...«
    »Warjenka«, half Warjenka lächelnd ein; »so werde ich allgemein genannt.«
    Kitty war ganz rot geworden vor Freude und drückte

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