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Anna Marx 9: Feuer bitte

Anna Marx 9: Feuer bitte

Titel: Anna Marx 9: Feuer bitte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Grän
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wissen, welches Lieblings Abschiedsworte waren. Dass er sie nie wieder sehen will? Vielleicht hat sie wieder geschnarcht wie ein Walross, oder er nahm Anstoß an ihrem Gelächter? An Annas mangelnden Sprachkenntnissen, die sich bereits im Restaurant offenbarten? Konnte der Idiot nicht auf Deutsch sagen, was zu sagen war?
    Außerdem hat sie vergessen, ihre Beine zu rasieren. Und morgens, wenn sie aufwacht, sind ihre Augen verquollen. Es gibt tausend Gründe, die gegen Anna Marx sprechen. Sie liegt auf der Couch und addiert schwere und lässliche Sünden, bis sie einschläft und von einem Gummibaum träumt, der auf sie fällt, während sie zwischen Lieblings Beinen liegt. Sie beißt ihm vor Schreck den Penis ab und spuckt ihn aus. Er fliegt wie ein Vogel und landet im Aquarium, und Anna, unfähig, sich zu bewegen, sieht ihn langsam zu Boden gleiten, von Nemos umschwirrt. Liebling schreit: »Tu doch was!«, doch Anna denkt, dass man für einen Penisfisch nicht mehr viel tun kann.
    Ein Albtraum, aus dem sie schreiend erwacht.

8. Kapitel
    Es gibt Räume, die schon zu Lebzeiten ihrer Bewohner Grabstätten sind. Antarktis in Berlin-Mitte: Anna ist zum zweiten Mal in dem Altbau, den Julia Mauz zwanzig Jahre lang ihr Zuhause nannte. Und wiederum fröstelt sie, als sie im dunklen Flur steht: Er ist zu schmal und lang, die Tapete dunkel, und gerahmte Fotos von Insekten sind kein Anblick, der sie fröhlich stimmen könnte. Warum hat Julia sie nicht entfernt, nachdem ihr Forscher im Urwald verschwand? Dies ist ein Ort, der zum Sterben einlädt.
    »Alles ist tipptopp, doch ich kriege die Bude weder verkauft noch angemessen vermietet. Berlin verkommt zu einem Armenhaus, es ist eine Schande.«
    Eva Mauz schreitet voran durch den Flur in die Küche und öffnet das Fenster, um den muffigen Geruch zu vertreiben. Sie ist immun gegen ihre Umgebung, denkt Anna, weil sie blind und taub ist. Leider nicht stumm.
    »Ich weiß gar nicht, was Sie hier noch finden wollen. Wir haben doch schon alles durchgesehen, und Julia, Gott sei ihrer Seele gnädig, hat das wenige vernichtet, das uns weiterhelfen könnte.«
    »Gott mag keine Selbstmörder«, murmelt Anna und malt ein Herz in die dünne Staubschicht auf dem Küchentisch. Es ist schief, das Herz, aber sie kann es nicht besser.
    »Ich mache mir täglich Vorwürfe, dass ich sie nicht davon abgehalten habe, das können Sie mir glauben. Julias Tod lastet wie ein Fluch auf mir, und ich werde erst ruhig schlafen können, wenn Sie den Schuldigen gefunden haben, Frau Marx.«
    Klingt fast wie eine Drohung, denkt Anna. Ihre Auftraggeberin steht mit verschränkten Armen vor ihr, und ihre Augen, unter dicker Schminke verborgen, verraten nichts von Schmerz. Der Lippenstift ist zu rot, das Kostüm zu rosa, einfach alles ist zu grell an Eva Mauz. Sie blendet. Anna blinzelt in den Sonnenstrahl, der durch das offene Küchenfenster fällt. »Deshalb bin ich ja hier. Weil ich nichts unversucht lassen will. Vielleicht haben wir beim ersten Mal etwas übersehen.«
    »Julia war schon als Kind so geheimniskrämerisch, müssen Sie wissen. Nie hat sie mir etwas verraten, und eine ganze Weile fürchtete unsere Mutter, dass Julia autistisch sein könnte. Aber sie war einfach nur … anders.«
    Anna wollte als Kind immer anders sein, doch sie unterschied sich in nichts von den fetten Nachbarskindern. Vielleicht war das ein Glück damals. Anderes wurde gnadenlos ausgestoßen. Vielleicht ist es Julia Mauz so ergangen, und sie starb, wie sie gelebt hatte: einsam.
    Die Mauz sieht ungeduldig auf ihre Uhr. »Ich habe noch einen Friseurtermin … Sie brauchen mich doch nicht bei der Sucherei, oder?«
    Rhetorische Fragen sind Anna ein Gräuel. Sie bemüht sich sehr, ihre Abneigung nicht nach außen zu tragen, schließlich ist die Frau zurzeit ihre einzige Geldquelle. Also lächelt sie und verneint. Anna verspricht, den Schlüssel später in der Wohnung der Schwester abzugeben, obwohl dies einen großen Umweg bedeutet.
    »Und Sie bringen mir doch nichts durcheinander, oder? Vielleicht findet sich ja doch ein Interessent, der die Wohnung kaufen oder mieten möchte. Sie war viel zu groß für Julia. Hier könnte leicht eine Familie mit zwei Kindern leben, aber diese Leute haben ja kein Geld.«
    Anna denkt an ihre Schulden und dass sie auch lieber reich, reicher, am reichsten wäre. »Wollte Ihre Schwester denn nie Kinder haben?«
    Eva Mauz sucht in ihrer Handtasche nach dem Autoschlüssel. Sie fährt einen Mercedes-Sportwagen, rot

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