Anna Strong Chronicles 06 - Gesetz der Nacht
beherrschen? Meinst du das damit? Wie zum Teufel sollten sie das anstellen? Du dramatisierst, mein Lieber.«
»Das glaube ich nicht.« Frey beugt sich vor, und in seinen Augen ist kein Funken Humor zu erkennen. »Ich bin noch nie einer Auserwählten begegnet. Aber ich weiß schon lange von ihnen. Es ist ihre Aufgabe, das Schicksal der vampirischen Rasse zu lenken. Das ist eine gewaltige Verantwortung, die nicht nur die Vampire betrifft, sondern die gesamte Menschheit. Sehr wahrscheinlich wird es weitere Tests geben. Man wird dich auf die Probe stellen, wie du es dir noch gar nicht vorstellen kannst. Aber das Endergebnis wird dasselbe sein. Die Zukunft der Welt liegt buchstäblich in deinen Händen.«
Kapitel 19
Die Zukunft der Welt? Frey ist so ernst, beinahe feierlich, dass ich mich energisch zusammenreißen muss, um ihn nicht mit einem verächtlichen Lachen zu beleidigen. Stattdessen mildere ich es zu einem ungläubigen Schnauben ab. »Frey, mein Freund, hörst du eigentlich, was du da redest? Du kennst mich doch. Du hast einige meiner schlimmsten Zeiten mit mir durchgemacht. Wie kommst du auf die Idee, dass irgendjemand, der bei halbwegs klarem Verstand ist, das Schicksal der Welt in meine Hände legen würde?«
Er schließt kurz die Augen und schüttelt langsam den Kopf. »Du wertest dich ständig selbst ab. Aber ich habe dich tatsächlich in sehr schwierigen Zeiten erlebt, und du wählst immer den richtigen Weg, den moralischen, anständigen Weg. Aber diesmal könnten die Möglichkeiten, unter denen du wählen musst, nicht so klar sein. Williams und Underwood sind mächtige Vampire. Sie werden versuchen, deine Entscheidungen zu beeinflussen oder zu erzwingen. Du musst jetzt noch wachsamer sein als sonst.«
Hör auf ihn, Anna. Lances Besorgnis brennt sich tiefer in mein Unterbewusstsein ein. Du musst dich schützen .
»Mich schützen? Wovor?« Ich blicke zwischen Lance und Frey hin und her. »Was erwartet ihr eigentlich von mir? Wie soll ich mich denn schützen? Soll ich mich in einer Höhle verkriechen? Mich von allen lossagen, die mir etwas bedeuten? Also?«
Lance und Frey haben keine Antworten darauf. Das sehe ich in der Sorge, die ihre Blicke verdüstert, an ihren grimmigen Mienen und verkniffenen Lippen. Mir ist klar, dass ich etwas unternehmen muss, um diesen Unsinn zu beenden. Die Auserwählte wird warten müssen. Zuerst gilt es ein dringenderes Problem zu lösen – Underwood muss für das bezahlen, was er Lance angetan hat.
Ich rücke vom Tisch ab und stehe auf. »Ich schlage vor, dass wir nach Hause fahren. David wird sich fragen, wo zum Teufel ich abgeblieben bin. Lance, kommst du mit? Frey?«
Die beiden Männer wechseln einen Blick und tauschen vermutlich auch Gedanken aus, die sie aber vor mir verbergen. Lance gibt mit einem Schulterzucken nach. »Wann willst du fahren?«
Ich warte kurz und tue so, als würde ich darüber nachdenken, obwohl ich in Wahrheit längst weiß, was ich will. »Gleich morgen früh. Lance, wie wäre es, wenn du mit Frey irgendwo essen gehst? Ich bin fertig. Ich glaube, ich gehe einfach wieder ins Bett.« Sie sehen mich an, als sei ich verrückt geworden, weil ich auch nur vorschlage, dass sie mich allein lassen. Das gibt mir Gelegenheit, ihnen ihren eigenen Blödsinn an den Kopf zu werfen. »He, glaubt ihr etwa, ich könnte nicht selbst auf mich aufpassen? Ich kann durchs Feuer gehen. Die Auserwählte, schon vergessen?«
Freys Mundwinkel heben sich. Sogar Lances Schultern entspannen sich ein wenig. »Und ich bin ja nicht allein. Adele ist hier. Es ist noch früh. Wenn ihr gleich fahrt, seid ihr zurück, ehe es dunkel wird. Und vor Anbruch der Dunkelheit passiert nie etwas Schlimmes. Ihr habt doch genug Horrorfilme gesehen, um das zu wissen.«
In Freys Blick liegt immer noch zu viel Zögerlichkeit. »Also, ich wette, es ist sowieso nicht viel zu essen im Haus. Adele hat all diese Blutswirte verköstigt. Frey ist Fleischfresser. Wie lange ist es her, seit du ein gutes Steak bekommen hast?« Freys Lippen zucken bei dem Wort »Steak«. »Siehst du?« Ich lächle breit. »Geht schon. Das ist das Mindeste, was du für Frey tun kannst, Lance. Wenn ich nicht noch ein bisschen wackelig wäre, würde ich auch mitkommen.«
»Na gut«, sagt Lance schließlich. »Ich kenne ein Steakhouse ganz in der Nähe. In spätestens einer Stunde sind wir wieder da.«
»Gut.« Ich stelle mich auf die Zehenspitzen und streife seine Lippen mit einem Kuss. »Dann sehen wir uns in einer
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