Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)
versprach die junge Frau und ging zum runden Durchlass. „Ich hoffe, der kleine Drache taucht bald auf. Ich muss jetzt wirklich los. Sobald ich den Jungen habe, bringe ich ihn zu dir. Dann sehen wir weiter.“
„Und noch etwas“, sagte Scharta. „Nimm eine Fackel mit. Lege deine Ringe, Amulette, alles was du hast, ins Feuer. Du wirst es brauchen.“
Anna holte eine Fackel aus dem Halter, nickte mit einem kleinen Lächeln der Schlange zu und verschwand in der Schwärze des Tunnels.
Zum ersten Mal lief sie durch die Gänge, ohne dass die Dunkelheit alles verschlang. Das flackernde, schwache Licht ließ hektische Schatten auf den gewölbten, porösen Wänden tanzen. Eine Fülle von seltsamen Zeichen bedeckte sie von oben bis nach unten. Sie ähneln den Zeichen, die ich auf dem Thron der Grausamen gesehen habe. Die Jungmagierin hielt an und schaute sie etwas genauer an. Sie sehen eigentlich auch aus, wie die im Buch des Wissens! Als ob es mehr Platz gebraucht und sich hier ausgebreitet hatte . Wenn ich nur wüsste, was dort steht … Sie schüttelte kräftig den Kopf. Ich muss jetzt wirklich los. Und sie lief zügig zu Alphiras Haus zurück.
Kapitel 9. Die letzten Vorbereitungen.
In ihrem Zimmer angekommen, steckte sie die Fackel in eine tiefe, leere Blumenvase und stellte sie auf den Boden an der Wand links vom Fenster. Früher, als es noch Blumen in der Oberwelt gab, war die Vase immer voll mit frischen, bunten Sträußen . Lange ist es her. Sie seufzte, richtete sich auf und drehte sich um. Ihr Blick fiel auf den Nachttisch. Der kleine Drache blinzelte mit seinen rosa funkelnden Augen an.
„Da bist du ja. Ich fing schon an, mir Sorgen zu machen!“ Sie tänzelte mit ihm einige Schritte durch den Raum und stellte ihn wieder zurück. „Wir haben keine Zeit zu verlieren. Wir müssen nämlich los.“
Der kleine Drache nickte, seine Worte erklangen klar in ihrem Kopf: „Ja, das können wir, sobald du dich vorbereitet hast.“
„Wie meinst du das?“
„Ich hoffe, du hast nicht vor, in deinem Magiergewand in die Menschenwelt zu reisen.“
„Glaubst du, ich muss mich verkleiden?“
„Nenne es, wie du willst, aber es ist besser, wenn du wie ein normales Mädchen, also wie eins aus der Menschenwelt aussiehst. Dann fällst du nicht so sehr auf, was sehr wünschenswert wäre.“
„Ach, und warum?“ Anna blickte ihn amüsiert an.
„Andersartigkeit wird von Menschen oft nicht gern gesehen. Sie wissen meistens nicht damit umzugehen und begegnen ihr für gewöhnlich mit einer gehörigen Portion Misstrauen. Das hilft dir aber nicht weiter.“
„Oh, das wusste ich nicht“, stammelte die Jungmagierin.
„Und deine Frisur. Da könntest du auch etwas tun. Dort, wo du hingehst, gibt es nicht viele junge Frauen, die ihre Haare bodenlang tragen.“
Anna legte ihren dicken Zopf auf die linke Schulter, strich mit der Hand darüber und sah zufrieden zu, wie das Haar glänzte. „Aber das kann ich nicht machen! Magier schneiden ihre Haare nicht. Man verliert sonst jede Menge magischer Kraft!“
Der kleine Drache schlug kräftig mit den Flügeln. Seine Augen blitzten auf. „Wie du willst. Bloß so siehst du auch wie eine Magierin aus. Und so etwas gibt es in der Menschenwelt nicht. Darf es zumindest offiziell nicht geben. Auf jeden Fall, so wie du jetzt aussiehst, wirst du dort nicht ernst genommen.“
„Aha, und ab wann wird mir so eine Ehre zuteil?“ Im Blick der jungen Frau mischten sich ein Hauch Belustigung und eine gute Portion Neugier.
„Jedenfalls, wenn du dich nicht an die Regeln hältst, ist es kaum denkbar, dass dein Vorhaben gelingt. Daher ist es äußerst ratsam, dein wahres Wesen zu verstecken und ein Erscheinungsbild anzunehmen, das sie für annehmbar halten.“
„Seltsame Sitten.“
„Die kannst du nicht ändern. Einfacher ist es, diesen Regeln zu folgen, egal wie du sie findest. So kommst du besser voran.“
Anna verzog den Mund und schaute nachdenklich vor sich her.
„Und all dein Schmuck und Edelsteine“, der kleine Drache deutete mit der Schnauze auf ihre Amulette und Ringe, „es ist besser, wenn du sie hier lässt.“
„Aber dann habe ich noch weniger Hilfsmittel zur Verfügung! Das sind alles Kraftsteine! Es kostet jede Menge Energie, sich in der Menschenwelt zu bewegen. Vor allem aber der Weg hin und zurück hat es in sich. Und ohne all diese kleinen Unterstützer kann es verdammt brenzlig werden!“
„Tue, was du für richtig hältst. Bloß so fällst du durch dein
Weitere Kostenlose Bücher