Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)
kleinen Gruppe von bewaffneten Dienern in Uniform bewacht, die stramm dastanden und das Geschehen beobachteten. Jede Bewegung der Arbeiter wurde von ihren angespannten Blicken erfasst. Wenn sich jemand eine Bewegung erlaubte, die nicht der Verrichtung der Arbeit diente, wurde sie sofort berichtigt: Die Arme wurden gebrochen, die Gelenke verrenkt, die Köpfe eingeschlagen. Mit Peitschenschlägen bewegten die Aufseher die Sklaven zur Erfüllung ihrer Pflichten. Wenn einer zusammenbrach, wurde er sogleich weggeschleppt. Sofort stand der Nächste auf seiner Stelle und die Arbeit ging weiter.
„Das ist mein Reich“, ertönte stolz die Stimme der kleinen Frau hinter seinem Rücken. „Soweit das Auge reicht, ist alles meins. Alle arbeiten tagein tagaus hart, um mich noch reicher zu machen.“
„Und was passiert jetzt mit dem Mann, dem gerade die Hand zertrümmert wurde?“ Ian wandte sich zu ihr. Entrüstung stand in seinem Blick.
„Kümmere dich nicht um ihn. Es darf dir egal sein, ob dieser Schmarotzer gleich verreckt oder später. Davon gibt es genug, mit noch intakten Armen, die jederzeit bereit sind, für mich zu arbeiten.“ Sie deutete mit ihrem zusammengelegten Fächer weiter nach links auf einen hohen schwarzen Turm.
„Warum tun Sie das? Die Arbeiter, die frei und gut genährt sind, arbeiten viel besser. Sie schaffen mehr Arbeit in der gleichen Zeit.“
Die Herrscherin grinste schief. „Es geht mir nicht so sehr um die Menge getaner Arbeit. Es macht einfach Spaß, zuzusehen, wie sie sich abmühen. Das Leiden dieser armen Teufel ist mehr viel mehr Wert.“
„Wollen Sie mich auch versklaven?“
Sie lachte auf. „Ach, sind wir aber zart besaitet! Keine Sorge, das geht schnell vorbei. Nach einer Weile schockt es nicht mehr. Es ist üblich, dass der eine oder der andere ausgewechselt werden muss.“ Sie schritt auf ihn zu, legte ihre kleine Hand auf seinen Arm und sagte mit geheimnisvoller Stimme: „Du musst dich um etwas anderes kümmern. Du hast eine viel wichtigere Aufgabe.“
Er sprang beinah von ihr weg. Ihre Hand rutschte herunter. „Sagen Sie mir, was Sie von mir wollen.“
„Ganz bestimmt tue ich das, Eure Ungeduld. Wenn es denn so weit ist. Aber erst ...“ Sie lief zu der gegenüberliegenden Wand und deutete an, ihr zu folgen, dann richtete sie ihren Zeigefinger auf den schwarzen Granit. Ein leuchtender Blitz, und die Wand wurde sofort zu Glas. Dahinter lag eine riesige Schatzkammer.
Goldene und silberne Münzen bildeten eine einige Meter hohe Schicht über dem Boden und glänzten geheimnisvoll dem Betrachter entgegen. Darüber hingen schwere, mit verschnörkelten Mustern verzierte Truhen an den Wänden. Ihre Deckel waren offen. Edelsteine unterschiedlicher Größen funkelten in Rot und Grün, Blau, Weiß und Hellbraun.
„Das sind Rubine, Topase, Smaragde und Diamanten, die nicht groß genug für einen Ehrenplatz in der Vitrine waren. Sie sind aber trotzdem auf ihre Art hübsch und recht wertvoll“, erklärte die Herrscherin. „Schau da“, und sie deutete nach weiter rechts.
Dutzende Diamanten aller Farben von ungewöhnlichen Größen blinzelten verschlafen ihm entgegen. Filigran gearbeitete Kronen, Brust- und Armreife, Broschen und Uhren, reich besetzt mit Edelsteinen waren in hohen Glasschränken mit perfekter Beleuchtung angemessen präsentiert. Die aus feinster Seide gefertigten und mit aufwendigen Gold- und Silberstickereien geschmückten Kleider, Gürtel und Schuhe ruhten ebenfalls hinter dem Glas. Auch für einen Laien war sofort klar, dass sie mit meisterhaftem Können und Geschmack gefertigte Unikate waren. So viel Schönheit und Pracht, geballt in einem Raum ließ seinen Atem stocken.
„Ich sehe, es gefällt dir, was du siehst“, hörte Ian die kühle Stimme wieder. „Das kann ich gut verstehen. Ich schaue manchmal stundenlang darauf, ohne dass es mir langweilig wird. Sonst mag ich gerne die Abwechslung. Da hinten geht es weiter.“ Sie deutete auf die andere Seite der Kammer, in der mehrere Truhen in einem schmalen Gang glänzten. „Aber diese hier“, sie blickte vergnügt auf die Steine in der Vitrine vor sich, „sind meine Lieblingsstücke, die habe ich gern gleich hier vorne.“ Ihre Augen funkelten vor Aufregung. Die vornehm blassen Wangen hatten einen leichten rosa Teint angenommen.
„Gehört es alles Ihnen?“
„Ja. Alles in diesem Reich, wohin das Auge reicht, nenne ich meins“, verkündete sie stolz.
„Es ist kein Hologramm, oder?“ Ian blickte
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