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Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Titel: Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Neblin
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recht so: Familien sollen Stabilität bringen. Wo ein zahlender Vater ist, fällt die Familie niemandem sonst zur Last. Männer sollten klug genug sein, das zu erkennen.
    Heiraten Sie, Ethan. Das gehört zum guten Ton. Aber heiraten Sie klug: die Tochter eines Senators oder eines Magnaten, dessen Unternehmen wir noch nicht betreuen. Verschwenden Sie Ihre Zeit nicht mit einer Provinzschönheit. Schönheit verfliegt. Werte, die sie in einem Safe oder in einem Depot verwahren können, bleiben. Lassen Sie sich nicht die Sinne vernebeln und von einer Illusion blenden, die Ihnen nur Leid zufügt. Verlieren Sie die Realität nicht aus den Augen. Es gibt viele harmlose Genüsse, mit denen Sie sich erfreuen können, aber schützen Sie Ihr Herz vor engen persönlichen Bindungen. Dann wird es stark, unzerbrechlich und Sie erreichen den erhabenen Zustand, den die antiken Weisen Apatheia nennen. Doch vor allem: Vergessen Sie nicht Ihre Pflichten gegenüber der Kanzlei. Denn die Pflicht gegenüber der Kanzlei ist letztendlich die Pflicht, die Sie sich selber, die Sie Ihrer eigenen Zukunft schulden. Eine Partnerschaft - hier! Wissen Sie was das heißt? Sie sind auserwählt. Sie gehören zur Creme de la Creme von Boston. Folgen Sie mir nach, Ethan, und ich mache Sie reich. Ich mache Sie bekannt mit allen, die es in dieser Stadt zu kennen lohnt. Ich baue Ihnen Brücken, ich öffne Ihnen Türen.“
    Ich wollte etwas einwenden, aber die Gedanken ließen sich in keine sinnvolle Reihenfolge bringen. Warum sollte ich zurück nach South Port? Ich konnte es nicht mehr sagen. Im Moment fühlte ich ... nichts. Gar nichts. Ich fühlte mich wohl. So gut hatte ich mich seit Tagen nicht gefühlt. Das Gespräch mit Hawthorne tat mir gut.
    „Nehmen Sie noch ein Glas.“
    Er schenkte mir nochmals ein.
    „Und dann machen Sie Schluss für heute und denken über das nach, was ich Ihnen gesagt habe. Ich werde meinen Fahrer anweisen, Sie nach Hause zu fahren und morgen früh jemanden schicken, der Sie abholt.“
    Beim Hinausgehen blieb er im Türrahmen stehen und wandte sich noch einmal um: „Wir kümmern uns um Sie, Ethan. Vergessen Sie das nicht.“

44.      Kapitel

 
 
    Zwanzig Minuten später setzte mich Hawthornes Bentley am Highstone ab. Orientierungslos taumelte ich in das Foyer, fand mithilfe eines Pagen den Weg zu meinem Appartement und lies mich auf das Sofa fallen. Die Ruhe, die Hawthornes Gegenwart ausgelöst hatte, war einer inneren Unruhe gewichen.
    Die Partnerschaft war alles, worauf ich hingearbeitet hatte. Alles, was ich mir erträumt hatte, war zum Greifen nah. Und doch: Annabell und das kleine South Port wollten sich nicht einfügen in den großen Rahmen, den ich für mein Leben vorgesehen hatte. In der Prep-School hatte ich ihn entworfen, Harvard hatte mir das Material verschafft, ihn anzufertigen und Hawthorne wollte ihn vergolden. Doch was war ein Leben ohne Annabell?
    Das siedende Wasser der Multifunktionsdusche sollte meine Gedanken freispülen. Taub für den körperlichen Schmerz schloss ich minutenlang die Augen, während meine Haut auf Kopf und Schultern rot gebrüht wurde.
    Craig, schoss es mir durch den Kopf.
    Craig war mein Freund.
    Ich wählte seine Nummer.
    „Hey, Meyers! Du lebst noch, Alter? Dachte schon, Du traust Dich nicht mehr, anzurufen.“
    Das auch noch! Er wusste von der Nacht mit Jessica. Verdammt!
    „Craig, das mit Jessica tut mir leid, ich …“
    „Hey, immer locker bleiben! Hör ich mich an, als wär’ ich sauer auf Dich?“
    „Craig, es war ein Fehler …“
    „Lass mal gut sein. Ehrlich. Sie sieht nett aus. Ist ein heißes Luder. Ich kann verstehen, dass Du sie anstechen wolltest. Hätte es nicht anders gemacht, wenn es Deine Braut gewesen wäre.“
    „Wie hast Du es ...?“
    „Erfahren? Die kleine Schlampe hat mit unter Tränen gebeichtet, dass sie mit Dir in der Kiste war. Schien es echt zu bereuen. Wirklich herzerweichend.“
    „Und Du hast ihr verziehen?“
    „Verziehen? Na, jetzt halt mal die Luft an. Abgeschossen hab ich das Miststück. Craig Gordon betrügt man nicht. Da geht’s ums Prinzip. Wie stehe ich sonst da, wenn sich das herumspricht?“
    „Ja, da ist vielleicht was dran.“
    „Klar ist da was dran. Als Ehrenmann muss man auf seinen guten Ruf achten. Aber Du hast angerufen. Was gibt’s Neues? Hast Du in der Pampa ein paar heiße Bräute klar gemacht?“
    „Na ja, nicht direkt …Eine … aber um die geht es nicht.“
    „Sondern?“
    „Craig, ich habe mich

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