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Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Titel: Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Neblin
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sehr Leid, Ethan. Und sie würde es rückgängig machen, wenn sie könnte, glaub‘ mir. Sie hat sich inzwischen damit abgefunden, dass wir zusammen sind. Soll ich da meine Freude und Dankbarkeit dadurch ausdrücken, dass ich ihr die Freundschaft kündige? Wie Sorais ihre Schwester Nyleptha hat sie mich verraten, weil sie Dich begehrt hat. Doch anders als Sorais kann Cathy sich auf den mittleren Weg einlassen und verzichten. Und so kann ich ihr verzeihen.“
    „Sorais? Nyleptha?“
    „Zwei Schwesterköniginnen in einem Roman, die denselben Mann begehren. Sorais will alles oder nichts.“
    „Dann bin ich wohl eher der Sorais-Typ. Was gewinnt Cathy, wenn sie klein beigibt?“
    „Wenn wir füreinander bestimmt sind, wäre es töricht, sich gegen diese Vorsehung aufzulehnen …“ – doch wenn es nicht so ist, wäre es töricht, untätig zu bleiben, dachte ich - „… Cathy gewinnt eine Freundin und vielleicht einen Freund. Vielleicht ist das mehr, als sie gewönne, wenn sie Dich zum Liebhaber bekäme. Wie man so hört, soll das Vergnügen, Deine Geliebte zu sein, üblicherweise nicht sehr lange angedauert haben.“
    „Dafür war es sicherlich stets ein besonderer Genuss. Die herausragende Erfahrung im Leben. Ich weiß übrigens nicht, von wem Du solche Gerüchte hast.“
    „Von Dir?“
    „Das kann sein.“
    „Aber ob die Erfahrung Deiner Liebeskünste den Preis einer Freundschaft wert ist?“
    „Vielleicht nicht. Und wenn Du mit ihr befreundet bleiben möchtest, bitte. Aber Du siehst zumindest, was Du davon hast, wenn Du wichtigste Geheimnisse an andere ausplauderst. Sie verraten Dich früher oder später.“
    „Cathy ist meine Freundin, wenn ich ihr nicht vertrauen kann, wem dann? Und manchmal machen Menschen – auch Freunde – eben Fehler.“
    Ich dachte an einige Fehler, die ich in meinem Leben gemacht hatte, und kam nicht umhin, ihr insgeheim zuzustimmen.
    „Und was war das andere, was Dir passiert ist?“, fragte ich. Denn sie hatte doch von zwei Neuigkeiten gesprochen.
    „Das andere sind die Leute.“
    „Musstest Du Dir in der Schule dumme Sprüche anhören?“
    Sag mir, wer es war, dachte ich, und ich knöpfe ihn mir vor.
    „Ich habe einige dumme Sprüche gehört in den letzten Tagen. Von vielen Leuten. Es hat mich zwar keiner direkt angesprochen, aber man bekommt eben mit, wie die Schüler und auch einige Lehrer merkwürdig schauen oder über uns reden. Aber das meine ich nicht. Ich meine die Leute, die es wirklich gut meinen.
    Vielen fällt es wahrscheinlich schwer, mich anzusprechen. Sie sagen gar nichts und halten sich aus dem Klatsch raus. Aber ein paar Mädchen aus meiner Stufe und auch einige Freunde von Cathys Bruder haben mich unauffällig gefragt, wie es mir geht und ob alles in Ordnung ist. Und heute ist diese junge Englischlehrerin, Ms. Bohm, nach dem Unterricht zu mir gekommen und hat mich gefragt, ob ich über irgendetwas mit ihr sprechen möchte oder ob sie mir irgendwie helfen kann. Sie hat gesagt, sie erwarte keine Antwort, aber ich sollte wissen, dass ich jederzeit zu ihr kommen könne und dass sie dann versuchen wolle, mit mir zusammen eine Lösung zu finden. Ich solle wissen, dass viele Menschen in der Stadt mich sehr mögen und zu mir stehen.“
    „Das ist sehr nett von ihr.“
    „Ja, das ist es. Und sie meint es auch so. Und es hat mir einfach noch einmal gezeigt, dass wir nicht von hier weggehen dürfen. Wir müssen uns dem Gerede stellen. Um der Menschen willen, die wir sonst hier zurücklassen würden.“
    Sie hatte vollkommen recht . Als Junge hatte ich mich aus der Kleinstadt meiner Kindheit in die glänzende Welt der Craigs und Zachs und Hawthornes geflüchtet. Als Junge hatte ich keine Notwendigkeit und Möglichkeit gesehen, mich den bösen Zungen in meinem Umfeld zu stellen. Ich hatte es damit meiner Mutter gleichgetan, die am Ende mehrere Bundesstaaten zwischen sich und die Küste Neuenglands gebracht hatte. Wir beide waren davon gelaufen – wenn auch in andere Richtungen. Zwar war ich längst nicht mehr dieser Junge, doch hatte es eines Mädchens an der Schwelle zur Volljährigkeit bedurft, mir das vor Augen zu führen und mich Standhaftigkeit zu lehren.
    „Mich zieht es auch nicht mehr nach Boston. Es ist eine tolle Stadt, aber St.Clair hat mir heute gereicht. Wir werden hier bleiben und ausharren, kämpfen, wo es nötig ist. Es wäre unverzeihlich, Deine Freunde, Deine Heimat kampflos aufzugeben. ‚Semper fight‘, wie Sergeant John sagen würde, –

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