Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See
schlug sie langsam, jeden Augenblick auskostend, auseinander. Nach der Bluse entledigte ich Annabell der Hose und nach und nach all ihrer anderen Kleidungsstücke.
Ich konnte mich kaum sattsehen. Die alabasterfarbene Haut, die sanfte Rötung ihrer Lippen, der Spitzen ihrer zarten Brüste, ihr Gesicht umrahmt von den Mahagoniwogen ihres Haars, darin zwei leuchtende Sterne, die mich erwartungsfroh betrachteten – Aphrodite zum Leben erwacht.
Viele Jahre sollten vergehen, bis ich sie noch schöner sehen durfte, als an diesem Tag, als unsere Körper endlich eins wurden und so das Band besiegelten, das unsere Seelen seit Langem auf ewig geknüpft hatten.
82. Kapitel
Wir verbrachten eine wundervolle Nacht, deren Geheimnis ich nicht durch die Schilderung von Einzelheiten zu entweihen wage, und erwachten als Mann und Frau. Wir waren glücklich.
Als wir bei einem späten Frühstück darüber sprachen, was für einer günstigen Wendung wir dieses Glück zu verdanken hatten, kam Annabell nicht umhin, zu bemerken: „Du siehst, wir können froh sein, dass Cathy mich verraten hat.“
Ich musste kurz nachdenken, um Annabell folgen zu können: Cathy hatte mich angezeigt. Die Leute hatten angefangen, über uns zu reden. Wir hatten angekündigt, die Stadt zu verlassen. Mrs. Fullton hatte Annabell das Tagebuch überlassen und so hatten wir erfahren, dass wir keine Geschwister waren.
„Ja, am Ende ist selbst aus diesem Verrat etwas Gutes zutage getreten“, räumte ich ein.
„Hab ich es Dir nicht gesagt? Auch üble Dinge können zu einem guten Ende führen.“
Da das Tagebuch für sich allein allerdings kein unzweifelhafter Beweis für das Nichtbestehen unserer Blutsverwandtschaft war, ließen Annabell und ich umgehend bei Dr. Mercer einen DNA-Test durchführen. Das Ergebnis schloss mit einer hohen Wahrscheinlichkeit unsere Verwandtschaft aus.
Was für eine ungewohnte Freiheit uns nun eröffnet war. Wir mussten uns nicht länger verstecken und wir wollten nichts lieber tun, als unsere Liebe aller Welt zu zeigen und ‚alle Welt‘ schloss zuvorderst diejenigen ein, die uns nahe standen. Dazu gehörten selbstverständlich auch der Reverend und Richter Rutherford.
Als wir dem Richter unsere Nichtverwandtschaft samt unserer Zukunftspläne vorstellten, verfärbte sich sein Gesicht puterrot, er schrie ein empörtes „Osborne hatte also recht“ durch den Raum und es brauchte den gemeinsamen körperlichen Einsatz des Reverends und Annabells, ihn davon abzuhalten, mich zu verprügeln.
„Charlton, so beruhige Dich doch“, redete McCandle auf ihn ein. „Sie sind nicht Bruder und Schwester. Was sie tun, ist nicht verboten und ab einem gewissen Alter fügt es die Natur nun einmal so, dass selbst ein Mädchen, wie unser kleiner Engel hier, in Geist und Körper erwachsen wird und mit einem jungen Mann eine Beziehung beginnt.“
„So ganz jung, wie Du ihn darstellst, ist er ja nun keineswegs“, schnaubte der Richter, „ich sehe sehr gut und einige der hellen Härchen an seinen Schläfen sind gräulich-weiß, nicht blond.“
„Zugegeben. Aber er ist doch ein ganz anständiger Kerl, oder?“
„Sie ist siebzehn, Thomas. Ein Kind.“
Die beiden unterhielten sich, als ob wir gar nicht anwesend wären.
„Ich hätte mir vielleicht auch gewünscht, dass das Erblühen noch ein, zwei Jahre auf sich warten lässt. Aber es ist nun einmal so gekommen, wie es ist.“
„Es ist nicht das Erblühen, weswegen ich den Knaben kastrieren muss. Dafür kann er nichts. Es ist das Pflücken der Blüte. Sie sind nicht einmal verheiratet.“
„Aber ist die Blüte denn beschädigt? Sie ist dort, wo sie sein soll und schöner denn je. Meine Kirche ist kein Tempel der Vesta, Charlton, und ich verherrliche keine unbefleckte Empfängnis. Letztere ist im Kontext der Vergöttlichung Jesu nicht nur theologisch unbefriedigend, daraus erwachsen zudem allzu leicht körperfeindliche Einstellungen, die äußerst fragwürdig sind. Der Körper ist kein Gefängnis der Seele. Er ist guter und gewollter Teil des irdischen Menschen. Annabell ist heute noch ebenso lilienweiß unschuldig wie jemals. Was sollte sie verdorben haben, wenn sie Ethan aufrichtig und ernsthaft liebt und sich allen Verantwortlichkeiten stellt, die daraus erwachsen mögen? Und nach dem was Ethan mir über seinen bisherigen … sagen wir ‚Lebenswandel‘ erzählt hat, wurde er mithilfe der Liebe zu Annabell geradezu geheiligt. Meinst Du, es ändert etwas an der inneren
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