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Annas Erbe

Annas Erbe

Titel: Annas Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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Begriff, das Ansehen der Polizeibehörde zu verspielen. Warum haben Sie nicht im Gefängnis nachgefragt? Wo Günther Eich die letzten 25 Jahre lebte, wird doch noch am ehesten eine Spur zu finden sein, die zu seinem Mörder führt.«
    Der blonde Bulle war um seinen Tisch gegangen und hatte sich gesetzt. Jetzt beugte er sich nach vorne und stieß mit seinem Zeigefinger in Richtung Thann. »Mensch, Sie haben noch eine Menge zu lernen, wenn Sie es bei uns zu etwas bringen wollen! Wir können froh sein, dass es nur ein Mord an einem Haftentlassenen ist. Da sieht uns die Presse nicht so genau auf die Finger.«
    Thann kochte vor Wut. Er war überzeugt, kein anderer Ermittler wäre in zwei Tagen weiter gekommen als er, auch Bollmann nicht. Er wusste nicht, was er dem Vorgesetzten antworten sollte. Er fühlte sich hilflos, und das steigerte seine Wut noch weiter.
    »Spannen Sie am Wochenende richtig aus. Gehen Sie an der frischen Luft spazieren, am besten mit einem Mädel am Arm. Sie haben Erholung verdient. Am Montag melden Sie sich bei der Sitte. Die haben im Moment eine Menge zu tun und können Sie gut gebrauchen.«
    Sitte. Abgesetzt und ausgesperrt von seinem Fall. Thann stellte sich den Spott von Schneider und Dalla vor. Er versuchte zu protestieren. »Sie können mich nicht ins K2 versetzen. Das ist mitbestimmungspflichtig. Der Personalrat ...«
    »Vorübergehend. Wir gründen eine übergreifende Arbeitsgruppe. Sie vertreten das K1. Von Versetzung kann keine Rede sein. Verstanden?«
    »Herr Bollmann, ich ...«
    »Und noch etwas, Thann.« Aus den Blitzen wurden Laserstrahlen. »Sie trinken und Sie neigen zu Gewalttätigkeiten. Beides ist nicht gut. Überhaupt nicht gut. Ich habe schon gute Männer zugrunde gehen sehen, weil sie gesoffen haben. Reißen Sie sich also zusammen.«
    Bollmann kniff die Augen mit ihren fast farblosen Wimpern zusammen und nickte seinem Gegenüber aufmunternd zu. Er breitete die Arme aus. Der Siegelring funkelte im Licht der Schreibtischlampe.
    »Sie sind noch jung, und ich mag Sie. Aus Ihnen kann noch mal was werden, Junior.«
    Der väterliche Ton konnte Thann nicht beruhigen. Wortlos stand er auf, grußlos verließ er den Raum.
    In seinem Büro griff er als Erstes nach der Flasche. Reißen Sie sich zusammen. Thann nahm einen Schluck. Bollmann hatte ihn durchschaut und konnte wie mit einer Marionette mit ihm spielen. Ein zweiter, größerer Schluck. Für Bollmann war er ein kleines Würstchen, und dafür hasste er ihn. Er trank die Flasche aus und mit einem Wutschrei, der ihm fast die Lunge zerriss, schmetterte er sie gegen die Wand.
    Ausgelaugt stand er da und wartete auf ein Echo seines Schreis. Als es ausblieb, begann er die Scherben einzusammeln. Er nahm alle Fotos und Zeichnungen von der Wand und packte sämtliche Unterlagen in seine Tasche, schloss sein Büro ab und verließ das Präsidium.
     
    Es war längst finstere Nacht, und der Regen hatte wieder eingesetzt, noch heftiger als zuvor. Thann fuhr zum Bahnhof. Vor dem Gebäude lungerten Fixer und Dealer. Innen hetzten die letzten Pendler zur S-Bahn, die sie aus der Stadt bringen sollte, nach Hause in ein friedliches Wochenende mit Freunden und Familie. Thann ging in den Laden, der bis in den späten Abend geöffnet hatte, und kaufte eine Flasche Weinbrand und zwei Flaschen Cola. Spannen Sie am Wochenende richtig aus.
     
     
    15.
     
    Er hatte keine Lust, nach Hause zu fahren. Ziellos steuerte er seinen Wagen stadtauswärts. Weg von Wohnung und Präsidiumsfestung, weg von all den Menschen. Er fuhr, bis er die letzten Häuser hinter sich gelassen hatte, fuhr weiter, bis ihn der Wald verschlang, immer weiter, bergauf, bis sich eine weite Lichtung auftat. Er bog auf den Parkplatz, auf dem sich die Autos an sonnigen Wochenenden Blech an Blech drängten, der in dieser Nacht jedoch verlassen dalag. Er rollte bis an den Rand des asphaltierten Platzes. Von hier erstreckte sich die Sicht über die Baumkronen unter ihm und weiter über Felder und über die gesamte Stadt. Ein riesiges Lichtermeer, das im Dunst zu flimmern schien. Und zwischen den Millionen Lichtern lag die Bedrohung. Verzweiflung und pochende Gier.
    Thann konnte die Türme der Innenstadt erkennen, auf denen sich die bunten Neontafeln drehten; von hier aus waren es nur kleine, grüne oder blaue Punkte. Er sah die Lichter der landenden und startenden Flugzeuge über dem Flughafen weit draußen, am anderen Ende der Stadt. Und er sah das Band der Autobahn, eine Kette weißer und roter

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