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Annas Erbe

Annas Erbe

Titel: Annas Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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Schneider. Er hätte schreien können vor Hass.
     
    Miller lag auf der Liege des Ambulanzraums. Er war nicht wieder zu sich gekommen.
    Der Arzt leuchtete in seine Augen. »Reflexe normal«, sagte er zur Krankenschwester.
    Sie hatte Blutdruck und Pulsfrequenz gemessen. »Neunzig zu sechzig, Puls 130.«
    »Patient im Schockzustand«, stellte der Arzt fest.
    Vorsichtig machten sie Millers Oberkörper frei. Während der Arzt sich mit einem Gerät an Millers Brust und Bauch zu schaffen machte, fragte er Thann, wie er ihn vorgefunden hatte.
    »Man hat ihn mit einem Baseballschläger misshandelt. Er war noch bei Bewusstsein. Er schien große Schmerzen in der Brust zu haben und atmete sehr schnell und flach.«
    »Schonatmung, Verdacht auf Rippenserienfraktur. Reagierte er auf Fragen?«
    »Teils, teils. Was machen Sie da?«
    »Ultraschall.«
    Der Arzt war fertig und wandte sich an die Schwester. »Wahrscheinlich Milzruptur. Freie Flüssigkeit in der Milzloge. Not-OP vorbereiten.«
    Neben dem Glaskasten des Krankenhauspförtners waren die Telefone. Thann verständigte Tommaso. Der Videospezialist vom K2 war nach Miller der Nächste, zu dem Thann Vertrauen hatte.
    Er bat ihn um die Festnahme von Schneider und Dalla wegen aller infrage kommenden Delikte: Nötigung, schwere Körperverletzung, Mordversuch. Wahrscheinlich noch mehr. Tommaso zeigte sich entsetzt und sagte seine Mithilfe zu.
    Nebenbei erfuhr Thann, dass der Haftprüfungsrichter Korfmacher inzwischen freigelassen hatte. Thann ballte die Fäuste und schlug die Stirn gegen den Telefonkasten.
     
     
    51.
     
    Thann wusste nicht, in welchem Auto Schneider und Dalla unterwegs waren. Immer wieder kontrollierte er, ob ihn jemand verfolgte. Er wechselte mehrfach die Richtung, obwohl sein Verstand ihm sagte, dass er unbehelligt war. Als er in der Innenstadt beim Abbiegen im Strom der Fußgänger stecken blieb, verriegelte er die Türen. Weich wie Käse. Soweit hatten sie ihn schon.
    Thann drückte auf die Klingel einer Zahnarztpraxis. Die Tür summte, Thann trat ein. Es war ein feines Haus mit gepflegtem Eingang, Marmor und Spiegel. Der Professor wohnte im ersten Stock über der Zahnarztpraxis. Thann war eine halbe Stunde zu früh. Er setzte sich vor die Wohnungstür und bewachte sie und das Album.
    Beckmann kam pünktlich.
    Es war ein großer, wattierter brauner Umschlag, mit Kugelschreiber adressiert. Außer dem Album steckte nur ein gelblich-grünes Postformular drin, auf der Rückseite mit demselben Stift beschrieben. Der Brief eines Toten, Eichs letzte Zeilen, improvisiert auf einem Postamt irgendwo zwischen Korfmachers und seiner Wohnung.
     
    Lieber Klaus!
    Wundere dich nicht über das seltsame Päckchen. Das Fotoalbum ist für mich sehr wichtig, ein Beweisstück für meine Rehabilitierung. Im Moment ist es auf der Post am besten aufgehoben, denn man wird wahrscheinlich versuchen, es mir wieder wegzunehmen. Bitte sag mir Bescheid, sobald es dich erreicht. Wir sehen uns ohnehin in den nächsten Tagen.
     
    Alles Gute, Günther
     
    Beckmann standen Tränen in den Augen.
    »Mir wünscht er alles Gute, ein paar Stunden vor seinem Tod.« Er schnäuzte sich. »Er hat geahnt, dass sie bei ihm einbrechen würden. Also das ist es, was sie bei ihm gesucht hatten.«
    »Ich glaube ja.« Thann hielt das heiß umkämpfte Stück in der Hand. Eingebunden in weißes, rissiges Plastik.
    Es war das Familienalbum einer niemals intakten Familie. Das Erinnerungsstück eines Waisen, der sich nach einer Familie sehnte. Auf der Innenseite des Deckels stand in Erwachsenenschrift: »Für Udo zum dritten Geburtstag«.
    Auf den ersten Seiten waren die ersten Jahre eines Jungen dokumentiert. Ein nacktes Baby lachte in die Kamera, ein Kleinkind lag im Schaumbad, der Junge wurde größer. Auf manchen Bildern war die Mutter dabei, Anna Korfmacher, wie Thann sie von anderen Fotos her kannte. Sie sah Eva auch hier sehr ähnlich.
    Nur wenige Fotos zeigten weitere Erwachsene. Thann kannte sie nicht. Schließlich gab es ein Bild mit Anna und allen drei Kindern. Hier war Udo vielleicht schon fünf. Das Galgengesicht des Fotografen begann sich bereits abzuzeichnen.
    Dann ein Zeitsprung. Etwa zehn Jahre in die Zukunft. Vier fast identische Fotos einer Schulklasse, vermutlich anlässlich Udos Hauptschulabschlusses. Thann erkannte ihn sofort an seinem frechen Grinsen. Er stand außen in der letzten Reihe. Es schien, als hielte sein Nebenmann Abstand zu Udo.
    Jedes der Bilder nahm eine gesamte Seite des Albums

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