Anne - 01 - Anne - 01 - Das Leben wird schöner Anne
zusammen, wenn einer der Gäste sich dagegen wehrte, daß Hunde im Salon waren. So viel konnte der Koch gerade berichten, während er das Fressen für Pettie auf den Teller füllte.
»Ich kann später wiederkommen und hier Ordnung machen«, sagte Anne zu Fräulein Tvilde. »Ich möchte nicht stören.«
»Aber Sie stören doch nicht, im Gegenteil! Ich finde es nur gemütlich, wenn ich Gesellschaft habe. Ich habe nämlich keine Lust, Pettie mit hinunterzunehmen. Da ist so ein griesgrämiger alter Herr, der Hunde nicht ausstehen kann!«
Fräulein Tvilde schwatzte munter drauflos, während Anne das Bett auseinanderschlug und aufräumte. Nein, was hatte Fräulein Tvilde doch für hübsche Sachen! So einen herrlichen wattierten seidenen Morgenrock! Anne hängte ihn vorsichtig in den Schrank hinein. Und was für eine Menge Schuhe!
»Sie sind wohl im Frühling noch nicht hier gewesen«, sagte Fräulein Tvilde. »Ich habe Sie jedenfalls nicht gesehen.«
Anne erklärte ihr, daß sie nur im Sommer hier arbeite. »Ah - sind Sie etwa Studentin? Ich weiß, daß viele Studentinnen.«
»Noch nicht. Nur Gymnasiastin.«
»Werden Sie dies Gerenne hier nicht mal müde? Ich meine, es muß doch ungewohnt für Sie sein.«
»O nein. Ich bin das Arbeiten gewohnt. Nur die Beine tun manchmal weh.«
Fräulein Tvilde sah auf Annes Füße. »Haben Sie auch gute Schuhe? Die brauchen Sie unbedingt für eine solche Arbeit. Sie sind ja den ganzen Tag auf den Beinen.«
»O ja, gewiß, sie sind recht gut.« Anne blickte auch auf ihre Füße.
»Nummer achtunddreißig«, sagte Fräulein Tvilde lakonisch.
»Wie? Können Sie das gleich so sehen?«
»Ich habe ein Schuhgeschäft«, lächelte Fräulein Tvilde.
»Und da habe ich eine gewisse Übung. Zweckmäßige und bequeme Schuhe sind meine ganz besondere Leidenschaft.«
Anne war fertig und wollte in das nächste Zimmer gehen.
»Nehmen Sie doch ein Stück Konfekt!« Fräulein Tvilde bot ihr aus einer großen Schachtel an. Und als Anne bescheiden ein Stück genommen hatte, steckte ihr Fräulein Tvilde noch drei, vier Stücke in die Schürzentasche.
Anne lächelte. Ja, Fräulein Tvilde war furchtbar nett. Pettie auch.
Am nächsten Tag hatte Anne bis dreiundzwanzig Uhr Dienst. Spät am Abend läutete es von Nummer 26. Fräulein Tvilde wollte gern eine Tasse Tee aufs Zimmer gebracht haben.
»Ja, sofort, gnädige Frau«, Anne hatte sich daran gewöhnt, jedem Satz diese Anrede beizufügen.
»Ich bin so gebunden durch diesen kleinen Kerl«, sagte Fräulein Tvilde und strich Pettie über den Kopf. »Ich lasse ihn so ungern allein.«
Anne, die schon auf dem Weg zur Tür war, blieb stehen. »Wenn Sie nach unten gehen wollen, kann ich Pettie gut mit in meine Wachstube nehmen. Ich werde schon auf ihn aufpassen - ich könnte ja vielleicht seine Decke mitnehmen, dann fühlt er sich ein bißchen heimischer.«
Fräulein Tvilde war glücklich. Es stellte sich heraus, daß sie recht gern mit ein paar anderen Gästen Bridge gespielt hätte. Aber da war ja der Pettie.
Ehe Anne sich’s versah, war sie Petties Kindermädchen geworden. Wenn sie Dienst hatte, dann lag Pettie in der Wachstube, und hatte sie frei, dann saß sie mit ihrem Strickzeug oder mit einem Buch auf Nummer 26 und leistete Pettie Gesellschaft. Und immer hatte Fräulein Tvilde etwas Gutes für sie hingestellt. Schokolade, etwas Obst, ein paar Kuchen oder Konfekt. Außerdem bestand sie darauf, Anne ein paar Kronen pro Abend zu bezahlen.
Mit einem netteren Gast hatte Anne noch nie zu tun gehabt. Sie hatte jetzt die ehedem so verhaßte Nummer 26 richtig gern. Aber trotzdem konnte es geschehen, wenn sie allein mit Pettie saß, daß ihr Blick zum Schreibtisch hinüberglitt. Und dann schoß ihr die Röte in die Wangen, weil sie an Frau Sönderbye dachte.
Eines Morgens läutete Fräulein Tvilde und bat Anne, ihr den Kaffee im Zimmer zu servieren. Es sei gestern spät gewesen, sagte sie, und sie sei noch müde. Das war auch eine so nette Angewohnheit von Fräulein Tvilde. Sie bat nie um einen Sonderdienst, ohne nicht eine freundliche kleine Entschuldigung anzubringen.
Anne holte das Tablett. Und als sie durch den Anrichteraum ging, wo Frau Legard stand und Blumen in die unzähligen Vasen des Hauses verteilte, brach sie sich einen kleinen Zweig ab und setzte ihn in einem niedrigen Glas auf das Tablett. Frau Legard sah es und nickte nur. »Warum haben Sie das Kaffeebrett selbst geholt?« fragte sie im Vorübergehen. Sonst wurden die
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