Anne - 02 - Anne - 02 - Anne und Jess, der Weg ins Glück
nicht mit ihr zu reden. Sie schaffe es ausgezeichnet allein, behauptet sie. Sie hat ja eine Hilfe, die kommt aber nur morgens, macht ihr das Frühstück und richtet das Bett und stellt das Mittagessen in einer Thermosbüchse hin. Aber den ganzen übrigen Tag ist sie allein, abgesehen von unsern Besuchen ab und zu. Aber heute vormittag, als ich bei ihr war. ja, brauche ich eigentlich noch mehr zu sagen, Fräulein Viken? Sie haben doch sicher längst gemerkt, worauf ich hinaus will!“
Anne hörte mit großen Augen zu. Dann nickte sie:
„Sie meinen, ich soll.“
„Ja, und was noch besser ist, meine Schwiegermutter meint es auch! ,Könnte ich die kleine Anne kriegen!’ sagte sie erst eben zu mir. Sonst hat sie sich immer geweigert, jemand Fremdes ins Haus zu nehmen. Man weiß ja nicht, wen man bekommt, sagt sie. Damit hat sie natürlich recht. Jetzt höre ich von Fräulein Tvilde, daß es dort, wo Sie wohnen, nicht sehr nett ist, und - ja - würden Sie nicht mal zu meiner Schwiegermutter gehen und mit ihr sprechen?“
Anne strahlte. „Und ob ich das würde! Darauf können Sie sich verlassen! Je eher, desto besser!“
Zwei Stunden später schwebte Anne die Straße hinunter.
Vom kommenden Mittwoch an sollte sie bei Frau Unndal wohnen. Sie mußte die Morgenarbeit tun. „Ich bin immer gegen fünf Uhr wach und habe dann sehr das Verlangen nach meinem Morgenkaffee. Sie können also meinetwegen so früh anfangen, wie Sie wollen“, hatte Frau Unndal gesagt. Sie wollte alle Waren telefonisch beim Kaufmann bestellen und schicken lassen. Wenn Anne von der Schule nach Haus kam, sollte sie „irgendwas Genießbares zum Essen zusammenschmurgeln“, wie die alte Dame sich ausgedrückt hatte. Aufwaschen - und dann war vor dem Abend nichts mehr zu tun, dann hieß es nur, die Couch in ein Bett verwandeln und eine Tasse Tee machen.
Das Wichtigste war, daß Anne abends und nachts im Hause war. Und das konnte sie versprechen.
Für das alles würde sie ein wunderhübsches kleines Zimmer bekommen. Es war früher Frau Unndals Schlafgemach gewesen - und die Kost! Ja, es war gar nicht zu fassen.
Mit einemmal stockte Annes Fuß.
An eins hatte sie nicht gedacht.
Ostern! Jess erwartete sie zu Ostern - und jetzt hatte sie sich verpflichtet, sie war an Händen und Füßen gebunden.
Aber wenn auch! Sie bereute es nicht. Und vielleicht - vielleicht ließ es sich ja doch irgendwie einrichten.
„Ich muß mit Ihnen reden, Fräulein Viken“, empfing Frau Langelie sie zu Hause. Sie hatte Anne abgefangen.
„Und ich mit Ihnen“, sagte Anne. Sie hatte jetzt die ganze notwendige Sicherheit nach ihrer Abmachung mit Frau Unndal. Sie sprach schnell weiter, um alles loszuwerden, noch ehe Frau Langelie anfing.
„Nach dem, was mir gestern morgen passiert ist, kann ich nicht mehr bei Ihnen bleiben, Frau Langelie. Erstens paßt es mir nicht, von dem Sohn des Hauses so behandelt zu werden, und zweitens lasse ich es mir nicht gefallen, daß man sagt, ich hätte ihn ermuntert. Ich ziehe aus am kommenden Mittwoch. Das wollte ich nur sagen.“
„So, das wollten Sie sagen. Haben Sie jemals etwas von einer Kündigungsfrist gehört?“
„Allerdings. Aber in diesem Fall dürfte ich wohl das Recht haben, mich nicht darum zu kümmern.“
„Das wird das Arbeitsgericht entscheiden!“
„Das kann es ja tun“, sagte Anne. „Dann werde ich natürlich aussagen, weshalb ich gezwungen bin, so plötzlich die Stellung zu verlassen. Es war sonst meine Absicht, darüber zu schweigen - um Ihretwillen!“
„Und was ich noch sagen wollte - “, Frau Langelie machte plötzlich einen Gedankensprung, „sagen Sie doch Ihren Verehrern, daß Sie keinen Zugang zum Telefon hier haben.“
„Ich habe Ihr Telefon nicht benutzt! Und Verehrer habe ich nicht!“
„Natürlich nicht. Ich soll wohl glauben, Ihr Großvater hat vor einer Stunde hier angeläutet und Sie zu sprechen verlangt?“
„Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wer das war“, sagte Anne achselzuckend.
„Ist nicht möglich! Aber Sie sind schwerlich so harmlos, wie Sie scheinen“, sagte Frau Langelie spitz, „Sie haben nicht mit meinem Sohn geflirtet, und Sie haben keine Verehrer - jaja, es ist wirklich allerhand, was Sie mir so einreden wollen!“
„Mama - “, die älteste von den kleinen Mädchen erschien in der Tür. „Mama, da ist ein Herr - er heißt Sander - Schiffsreeder Sander.“
„Schiffsreeder Sander - aber Kind - ja, ich komme sofort.“
Frau Langelie sah aus wie ein
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