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Anne Frasier

Anne Frasier

Titel: Anne Frasier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marinchen
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dass sie nichts anrühren durfte. Normalerweise blieb ein Tatort zwei oder drei Tage lang ein Tatort. Danach konnte man die Pflanze hochnehmen. Aber dann wäre es wahrscheinlich zu spät. Es war vermutlich jetzt schon zu spät. Wurzeln konnten nur kurze Zeit an der Luft sein, bevor die Pflanze starb, in der Küche, am Kühlschrank, hing eine Geburtsanzeige, Früher harten die Zeitungen in Chicago standardmäßig alle Geburten in Cook County gemeldet. Das hatte mit dem Auftauchen des Madonna-Mörders geendet, und obwohl die Morde aufhörten, wurden die Geburtsanzeigen nicht wieder eingeführt. Die meisten Leute dachten nicht einmal darüber nach. Sie hätten nicht sagen können, warum in den Zeitungen keine Geburtsanzeigen mehr standen. Ivy wusste es.
    Sie zwang sich, woanders hinzusehen, in Richtung Flur zu gehen. Leise Stimmen drangen aus dem Schlafzimmer. Außerdem war das Klicken und Surren einer Kamera zu hören. Ein weißer Blitz zuckte wieder und wieder und wieder durch den Flur.
    Das Zimmer war voll, und plötzlich kam sie darauf, dass es Irving erst relativ spät eingefallen war, sie anzurufen. Die Experten kamen bereits zum Ende. Die Gespräche hatten bereits stattgefunden.
    Die Party war vorüber.
    Eine Gruppe Profis tat ihre Arbeit. Der Untersuchungsarzt war offensichtlich schon da gewesen und wieder gegangen. Eine Frau machte Bilder, eine andere betätigte eine Videokamera. Zwei Männer; einer in einem Anzug, einer in einem schwarzen Trenchcoat - wahrscheinlich Mitarbeiter der mobilen Spurensicherung - tüteten Beweisstücke ein. Um ihre Hälse hingen weiße Masken, damit sie den Fingerabdruck-Puder nicht einatmeten. Zwei weitere Männer, wahrscheinlich der Gerichtsmediziner und sein Assistent, schienen noch zu warten. Und noch ein Mann, Max Irving, stand neben dem Bett. Er hielt ein Klemmbrett in seinen Handschuh-Händen und machte sich Notizen.
    Er trug Jeans.
    Nun, Gott sei Dank hatte sie sich angemessen angezogen, dachte sie und unterdrückte die Hysterie, die anstieg, seit sie das Haus betreten hatte. In solchen Fällen denkt man manchmal Unsinn.
    Denn die Jeans kümmerten sie nicht wirklich. Es war das, was sich hinter den Jeans befand, in ihrem Blickfeld, aber unscharf. Es war, als schaute sie durch eine Kameralinse, ihre Bildtiefe wuchs, und der Hintergrund wurde langsam schärfer. Hinter den Jeans sah sie die nackten Beine einer Frau seitlich vom Bett hängen, ein Fuß berührte beinahe den Boden der andere war etwas höher.
    Sie dachte an den Bonsai. Sie dachte an die Frau, die hinter der dunklen Tür weinte. Junge Beine. Hübsche Beine. Blutbespritzte Beine.
    Das Zimmer roch nach Baby, nach Puder und Badeseife Es roch außerdem nach Blut, nach Urin, nach Kot.
    Neben dem Bett stand ein weißer Weidenkorb mit einem Mobile darüber. Ein weißer Weidenkorb.
    Sie ging durch das Schlafzimmer zu der Wiege. Schaute hinein.
    Das Baby schien friedlich zu schlafen. Es lag dort so süß, aber als sie genauer hinschaute, konnte sie den blauen Hauch um die Augen, die Lippen, die kleinen Fingernägel sehen.
    »Ein Junge?«, fragte sie und wusste doch schon die Antwort.
    Max schaute von seinem Notizbuch auf, offensichtlich überrascht, dass sie so schnell gekommen war. Dass sie überhaupt gekommen war.
    »Ja. Vor einer Woche geboren. Die Mutter ist Sachi Anderson. Die Großmutter, Sachis Mutter, macht unten ihre Aussage.«
    Die Großmutter. Aha. Die weinte also da unten. Er griff in die hintere Tasche seiner Jeans, zog zwei weiße Latexhandschuhe heraus und reichte sie ihr. Wortlos nahm sie sie und zog sie an.
    In dem Körbchen, am Fuß der Matratze, stand eine Schneekugel mit Spieluhr. Die Signatur des Mörders. Er hinterließ immer ein Geschenk für das Baby. »Sie dürfen. Wir sind fertig mit dem Baby.« Fertig mit dem Baby. Als wäre das Kind ein Nichts. Sie nahm die Spieluhr heraus. In der billigen Glaskugel hielt eine Mutter ein Baby. Dummerweise war daran nichts
    Besonderes. Das Ding würde ein Massenprodukt sein und konnte überall billig gekauft werden.
    Sie fand den Mechanismus an der Unterseite und spannte ihn nur eine Umdrehung, ließ dann los. Sie kannte das Lied:
    Hush little baby, don't say a word.
    Mamma f s gonna buy you a mockingbird...
    Die Kamera hörte endlich auf zu klicken. Lichtkreise schienen vor ihr zu schweben.
    »Das war's«, sagte der Fotograf. »Drehen wir sie um.«
    Sie drehten die Leiche um, dann klickte der Kameraauslöser erneut.
    Ivy wartete, bis die Spieluhr abgelaufen wai;

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