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Anne Gracie

Anne Gracie

Titel: Anne Gracie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zarte Küsse der Sehnsucht
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Zeit
la­gen sie schwei­gend da. Ir­gend­wann ließ ihr Zit­tern nach, und er glaub­te
schon, sie wä­re ein­ge­schla­fen, als sie plötz­lich sag­te: „Ich muss im­mer dar­an
den­ken, dass sie ge­weint hat und nie­mand sie hör­te. Was für ei­ne schreck­li­che,
schmerz­vol­le Art zu ster ...“
    „Nein“,
fiel er ihr ins Wort. „Sie hat über­haupt kei­nen Schmerz ge­spürt.“
    Sie
rich­te­te sich auf und sah ihn aus ver­quol­le­nen Au­gen an. „Wo­her willst du das
wis­sen?“
    Er kann­te
al­le mög­li­chen Ar­ten des Ster­bens. Sol­da­ten wuss­ten über so et­was Be­scheid,
doch das sag­te er ihr nicht. „Ein­mal, im Krieg in
den Py­re­nä­en, kam ein un­er­war­te­ter Schnee­sturm auf. Spä­ter ha­ben wir ei­ni­ge
Lei­chen ge­fun­den. Sol­da­ten. Sie wa­ren in ei­ne en­ge Schlucht ge­stürzt und dort
er­fro­ren.“
    Sie
er­schau­er­te. Er zog sie wie­der an sich und fuhr lei­se fort: „Sie wa­ren
auf­ein­an­der­ge­stürzt. Der Mann, der zu­un­terst lag, leb­te noch, auch
wenn er schwe­re Er­frie­run­gen hat­te. Er sag­te mir spä­ter, dass die
an­de­ren in all die­sem Schnee ein­fach ein­ge­schla­fen wä­ren. Nie­mand hät­te ge­weint
oder ge­schri­en. Es wä­re völ­lig schmerz­los ge­we­sen. Er
mein­te, Schmer­zen hät­te er nur ge­habt, als sein Kör­per wie­der warm wur­de,
un­er­träg­li­che Schmer­zen so­gar. Doch lang­sam zu er­frie­ren, wä­re ei­ne fried­li­che,
ru­hi­ge An­ge­le­gen­heit.“
    Sie seufz­te
schwer und sto­ckend und schmieg­te sich an sei­ne Brust. Er spür­te ih­re Trä­nen
auf sei­ner Haut, doch sie gab kei­nen Laut mehr von sich. So hielt er sie
um­fan­gen und strei­chel­te sie, bis sie end­lich ein­sch­lief.
    Sie rühr­te
sich die gan­ze Nacht nicht. Ihr Schlaf­wan­deln hat­te auf­ge­hört. Die Su­che war zu
En­de.
    Nell
ver­brach­te den nächs­ten Tag in ih­rem ab­ge­dun­kel­ten Zim­mer im Bett und trau­er­te.
Sie hat­te Har­ry am Mor­gen weg­ge­schickt und ei­ne Mi­grä­ne vor­ge­täuscht. Sie
woll­te nie­man­den se­hen. Noch nicht. Der Schmerz über To­ries Ver­lust war zu
groß.
    In je­ner
Nacht lieb­te sie Har­ry schwei­gend und vol­ler Bit­ter­keit und schlief da­nach fast
so­fort ein.
    Am
dar­auf­fol­gen­den Tag stell­te sie sich schla­fend, bis Har­ry ge­gan­gen war. Wie
soll­te sie sich je­mals wie­der dem Le­ben stel­len kön­nen? Ver­zwei­felt zog sie
sich die Bett­de­cke über den Kopf.
    Ag­gies
Ant­wort auf die­se Fra­ge fiel ihr wie­der ein, da­mals, in der schreck­li­chen Zeit
nach Ma­mas Tod. „Le­be im­mer einen Tag nach dem an­de­ren, Lieb­chen. In ganz
klei­nen Schrit­ten, wenn es sein muss. Die Le­ben­den sind es den To­ten schul­dig
zu le­ben, und du schul­dest es dei­ner Ma­ma, wei­ter­zu­le­ben. Du weißt, sie wür­de
es so wol­len.“
    Die­se Wor­te
hat­ten Nell im­mer wie­der Kraft ge­ge­ben, nach Pa­pas Tod und als sie das ers­te
Mal an­ge­fan­gen hat­te, To­rie zu su­chen. Auch spä­ter, als sie er­schöpft und
nie­der­ge­schla­gen von Lon­don nach Fir­min Court zu­rück­ge­kehrt war. Ganz klei­ne
Schrit­te, einen nach dem an­de­ren. Selbst als sie her­aus­ge­fun­den hat­te, dass
Pa­pa al­les ver­lo­ren und sie kein Zu­hau­se, kein Geld und kei­ne Fa­mi­lie mehr
hat­te, war sie im­stan­de ge­we­sen, wei­ter­zu­ge­hen, in ganz klei­nen Schrit­ten.
    Aber jetzt
nicht mehr. Kei­nen ein­zi­gen Tag mehr. Sie konn­te es nicht er­tra­gen
wei­ter­zu­le­ben. Es tat zu weh.
    Sie dreh­te
sich um und ver­grub das Ge­sicht im Kopf­kis­sen. Sie konn­te Har­rys ge­lieb­ten,
ver­trau­ten Duft wahr­neh­men. Ei­ne Wei­le at­me­te sie ihn nur ein, dach­te über
al­les nach, was Har­ry ihr be­deu­te­te, was er ihr ge­ge­ben hat­te, was ihn
aus­mach­te. Durch ihn war ihr Le­ben im­mer noch le­bens­wert. Für ihn konn­te sie
die Kraft auf­brin­gen wei­ter­zu­ge­hen.
    Sie
schul­de­te es nicht nur den To­ten, wei­ter­zu­le­ben, sie schul­de­te es auch den
Le­ben­den. Har­ry. Weil sie ihn lieb­te.
    Sie läu­te­te
nach Cooper, zog die Vor­hän­ge auf und ließ das kal­te Ta­ges­licht ins Zim­mer.
    Sie hat­te
Ver­spre­chen ein­zu­hal­ten.
    Als sie
nach un­ten kam,
hör­te sie einen lau­ten Streit im

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