Anne Gracie
Vater hat
Rechte, was sein Kind betrifft. Er könnte sie mir wegnehmen, und das Gesetz
würde es zulassen.“
„Unsinn.
Dann bist du mit mir verheiratet“, widersprach Harry. „Ich würde so
etwas niemals zulassen.“
Sie
schüttelte den Kopf. „Nein, das Risiko gehe ich nicht ein.“ Und das war
ihr letztes Wort.
Am Abend grübelte Harry weiter über diese
Geschichte nach, während er wartete, bis Nell sich für die Nacht fertig gemacht
hatte. Sie war immer noch zu scheu, um sich dabei von ihm helfen zu lassen, und
er wollte sie nicht drängen. Aber er würde sie diese Nacht
lieben und gar nicht erst warten, bis sie mit dem Schlafwandeln anfing.
Er holte
einen Bogen Papier, eine Feder und Tinte und setzte sich hin, um an Ethan zu
schreiben. Irgendjemand auf Firmin Court wusste vielleicht, wer dieser Schurke
war. Diese alte Frau, Aggie, die wusste es bestimmt. Nur ein paar diskrete
Fragen, das würde sicher ausreichen.
Ethan
konnte sehr diskret sein. Einzelheiten brauchte er nicht zu erfahren, er sollte
nur herausfinden, wer der Gast gewesen war, der den Dienstmädchen nachgestellt
hatte und dann von Lady Nell des Hauses verwiesen worden war.
Als er den
Brief beendet, versiegelt und an einen Lakaien übergeben hatte, der ihn
abschicken sollte, klopfte er an Nells Tür.
„Komm
herein.“ Sie saß kerzengerade im Bett und hatte das verdammte Nachthemd
bis zum Kinn zugeknöpft.
„Es hat
nicht viel Sinn, die Nacht in getrennten Betten anzufangen“, erklärte er.
„Wir wissen beide, wie das endet. Wenn du also erlaubst ...“ Er wartete
auf ihre Zustimmung.
Sie dachte
kurz nach, nickte errötend und schlug stumm die Bettdecke für ihn zurück.
Harry zog
sich rasch aus und legte sich zu ihr. „Und nun küss mich“, murmelte er.
Sie brauchte keine weitere Ermutigung.
14. Kapitel
s war
der wichtigste
Brief, den Ethan je geschrieben hatte und wahrscheinlich je schreiben würde.
Sein ganzes künftiges Glück hing davon ab. Es war aber auch der schwierigste
Brief, denn er würde ihn nicht vom Vikar korrigieren lassen.
Tibby war
in England, nur wenige Meilen von ihm entfernt. Die Nachricht war am
vergangenen Tag eingetroffen. Sie war mit Gabriel, der Prinzessin und den
beiden kleinen Jungen angekommen. Sie wohnten alle in Alverleigh, dem Haus von
Harrys verhasstem Halbbruder, dem Earl.
Ethan
wusste, das würde Harry nicht gefallen, aber ihm war es völlig gleichgültig.
Tibby war nicht weit fort in Zindaria, sondern weniger als einen Tagesritt von
ihm entfernt. Das war alles, was zählte.
Meine
liebe Miss Tibby ...
Nein. Er
strich es durch.
Meine
liebste Miss Tibby ...
Auch nicht
gut. Er strich Miss durch.
Meine
liebste Tibby ...
Würde sie
das vielleicht anmaßend finden? Sie war schließlich sehr
korrekt, seine Tibby. Er stöhnte. Sie war nicht seine Tibby, genau das
war ja das Problem.
Er legte
die Feder hin und wischte sich zum bestimmt vierzigsten Mal die Hände ab. Er
schwitzte. Im Dezember.
Er setzte
einen Entwurf auf und korrigierte ihn dann so gut es ging ohne Hilfe. Das
sollte jetzt die letzte Abschrift werden. Wie viel Papier er verschwendet
hatte, weil er immer wieder von Neuem anfangen musste! „Zähne zusammenbeißen
und durch, Delaney“, murmelte er sich selbst Mut zu. Er griff wieder zur
Feder.
Meine
liebe Miss Tibby,
Ich habe
mir Ihre Worte in Ihrem letzten Brief zu Herzen genomen und teile Ihnen mit,
das ich Ihnen nächsten Mittwochnachmitag in Alverleigh meine Aufwartung machen
werde. Ich hoffe, es ist Ihnen recht.
Ihr
treuer Diener
Ethan Delaney
So, er
hatte es geschafft.
Er löschte sorgfältig, faltete den Bogen zusammen und versah ihn mit rotem
Siegelwachs. Rot wie Gefahr. Rot wie Blut. Rot wie die Liebe. Einer alten
Angewohnheit nach, die er längst vergessen
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