Anne Gracie
vorderen Pferde am
Zaumzeug und brachte das Tier, auf das er beruhigend einredete, wieder zum
Stehen. Gabriel war in Windeseile bei ihm und gemeinsam gelang es ihnen, alle
Pferde zu beruhigen.
„Was ist
denn passiert?“, fragte Gabriel den Kutscher.
„Es war
nicht meine Schuld“, beteuerte der. „Ich habe ihn überhaupt nicht kommen
sehen. Er ist einfach auf die Straße gerannt. Ist er tot?“
Sie sahen
nach unten. Sir Irwin lag reglos auf der Straße, die untere Hälfte seines
Körpers war nur noch eine blutige Masse.
In der Tat,
er war tot. Und entmannt noch dazu. Ausgleichende Gerechtigkeit, dachte Harry.
Er hatte zwar nicht gewollt, dass der Mann starb, aber nun war er dennoch tot
... Nell musste nie wieder Angst haben, diesem Scheusal noch einmal über den
Weg zu laufen.
„Schafft
die Leiche von der Straße“, befahl Marcus den Bediensteten, die aus dem
Haus gekommen waren, um zu gaffen.
Während sie
seinen Befehl ausführten, kam ein weiterer Bediensteter in einem ordentlichen
schwarzen Anzug schüchtern auf Harry zu. Er führte Sabre am Zügel. „Captain
Morant?“
Harry
drehte sich zu ihm um. „Ja?“
„Das ist
der Mann, der ,Vorsicht, hinter Ihnen` gerufen hat“, bemerkte Nash.
Harry sah
den Bediensteten mit neu erwachtem Interesse an. „Sie waren das? Dann habe ich
Ihnen mein Leben zu verdanken.“
„Sie
brauchen mir nicht zu danken, Sir“, erwiderte der Mann, der ungefähr in
Harrys Alter war. „Ich halte nichts von Leuten, die anderen in den Rücken
schießen wollen. Erst recht nicht, wenn der eine ein tapferer Offizier ist und
der andere ein ...“
„Schurke?“
Der Mann
verzog das Gesicht. „Das war er, Sir, und noch viel schlimmer. Ich bin strikt
gegen die Art, wie er lebte, und verabscheue, was er alles getan hat.“
„Sie
meinen, was er Frauen angetan hat?“
„Ja, und
seinem eigenen Fleisch und Blut.“
Harry
runzelte die Stirn. „Wie meinen Sie das, seinem eigenen Fleisch und Blut?“
„Einmal kam
ein alter Mann mit einem Baby her und hielt Sir Irwin offenbar für den Vater
...“
Ein Baby?
Harry packte den Mann am Arm. „Wann war das? Was ist mit dem Baby
geschehen?“
Der Mann
sah ihn überrascht an. „Das war in meiner ersten Arbeitswoche hier, Sir, Mitte
Oktober. Ich musste das Baby dann in dieses Haus bringen – in so einem Haus
würde ich nicht einmal einen Hund halten, geschweige denn mein eigenes Kind!
Mir ist ganz schlecht dabei geworden, Sir, wirklich. Ich hätte gern sofort
wieder gekündigt, aber für alte Soldaten gibt es nicht viele Stellen.“
„Ab sofort
haben Sie wieder eine“, erwiderte Harry. „Sie müssen mir zeigen, wohin
Sie das Baby gebracht haben. Können Sie reiten?“
Er nickte
eifrig. „Das kann ich, Sir, nur müsste mir jemand ein Pferd leihen.“
„Gabriel,
leih dem guten Mann dein Pferd“, sagte Harry. Gabriel pfiff, und sein
Pferd trabte zu ihm. „Wie heißen Sie?“, wollte Harry wissen.
„Evans,
Sir.“ Er salutierte.
Harry zog
die Augenbrauen hoch. „In welchem Regiment waren Sie?“
Evans
schmunzelte. „In Ihrem, Sir. Ich war Offiziersbursche bei Major Edwardes, bis
er gefallen ist.“
Harry
klopfte ihm auf die Schulter. „Guter Mann. Du wirst mit alldem hier fertig,
oder?“, wandte er sich an Gabriel und zeigte auf das Chaos. „Evans hier, der
Offiziersbursche beim armen Johnny Edwardes war, sagt, ein alter Mann hätte im
Oktober ein Baby zu Sir Irwin gebracht.“
Gabriels
Miene hellte sich verstehend auf.
Harry
schüttelte warnend den Kopf. „Kein Wort darüber zu Nell. Es würde sie
umbringen, wenn es sich doch wieder nur als falsche Spur herausstellt.“
„Reite
los“, forderte Gabriel ihn auf. „Nimm Nashs Pferd, Sabre ist
leicht verletzt. Wir bekommen hier alles in den Griff. Wenn ein Magistrat und
ein Diplomat
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