Anne Gracie
hier auch nach ihm gesucht haben.“ Er schrieb sich die Adresse auf.
„Also gut, brechen wir auf.“
„Du auch?“,
fragte Gabriel überrascht.
Der Earl
bedachte ihn mit einem kalten Blick. „Ja. Warum nicht?“
„Oh bitte, beeilen
Sie sich einfach!“, flehte Nell sie an. Die Brüder vergaßen ihren Zwist
und machten sich auf den Weg.
Sir
Irwin Clendinnings
Haus lag an der geschäftigen Great North Road am Stadtrand von London.
Kutschen, Karren und Fuhrwerke rollten hier in ununterbrochener Reihe.
Harry
fragte sich, wie man an einem solchen Ort leben konnte, der Lärm war
entsetzlich. Doch das war die Adresse, die man ihm genannt hatte.
Er ritt
durch das offene Tor. Eine Kutsche wartete auf der kurzen Zufahrt vor einem
etwas heruntergekommenen Gebäude. Ein großer, elegant gekleideter Mann mit
strohblondem Haar wollte soeben einsteigen – Sir Irwin?
Er drängte
Sabre zwischen die Kutsche und den Mann, dessen Fluch er ignorierte.
„Was zum
Teufel fällt Ihnen ein, Sir?“ Im Unterschied zu dem Haus wirkte der Mann
äußerst gepflegt, schon beinahe wie ein Stutzer. Harry stellte sich vor, wie
dieses große Scheusal Nells kleinen Körper bezwungen hatte, und er kochte vor
Wut. Aber diese Wut durfte nicht überkochen. Noch nicht.
„Sir Irwin
Clendinning?“ Er musste sich schließlich überzeugen, dass er den Richtigen
vor sich hatte.
„In der Tat
und Eigentümer dieses Anwesens. Und wer zum Teufel sind Sie?“
Harry
schwang sich von seinem Pferd. „Harry Morant.“
Sir Irwin
betrachtete Harrys verstaubte Kleidung und rümpfte die Nase. „Ich hatte noch
nicht das Vergnügen, denke ich“, sagte er herablassend und wollte um Harry
herumgehen. „Schaffen Sie bitte dieses Tier von meinem Grundstück.“
„Nun, es
wird auch kein Vergnügen werden“, erwiderte Harry sanft.
„Was zum
...“
Mehr konnte
er nicht sagen, denn Harry packte ihn an seinem eleganten Kragen.
„Lassen Sie
mich los, Sie ...!“
Statt zu antworten,
schmetterte Harry ihn gegen die Tür seiner Kutsche. Der Kutscher griff ein und
versuchte ein uraltes Gewehr zu ziehen. Widerstrebend ließ Harry Sir Irwin los
und streckte den Mann mit einem Hieb zu Boden. Ein Tritt mit dem Stiefelabsatz
auf die Mitte des Laufs, und die Waffe war nutzlos geworden. „Das ist eine
Privatangelegenheit zwischen Ihrem Herrn und mir“, fuhr Harry den Kutscher
an. „Halten Sie sich heraus, wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist!“
Der
Kutscher rappelte sich mühsam auf, sah Harry ängstlich an und machte sich
schleunigst davon.
Sir Irwin
hatte denselben Einfall. Unter wüsten Beschimpfungen stürzte er sich auf Harry,
um ihn aus dem Weg zu schieben und seinem Kutscher nachzueilen.
Harry
packte ihn und drückte ihn erneut fest gegen die Kutsche. Sir Irwin wehrte
sich und trat nach Harry, aber er hatte keine Chance. Die beiden waren zwar
ungefähr gleich groß, doch Sir Irwin war kein ernst zu nehmender Gegner für
einen Mann, der jahrelang im Krieg gewesen war.
„Hilfe!
Überfall! Mord!“, brüllte er, doch sein Geschrei ging im Verkehrslärm der Great
North Road unter.
„Ich denke,
Mord steht heute nicht auf der Tagesordnung. Nur eine Entmannung“,
verkündete Harry freundlich und rammte ihn wieder gegen die Kutsche.
Sir Irwin
wurde kreidebleich. „Entm... Wie meinen Sie das?“ Er sah über Harrys
Schulter. „Packt ihn!“
Zwei
Bedienstete hatten sich von hinten angeschlichen. Harry ließ Sir Irwin los,
wirbelte herum und verpasste dem ersten Mann einen kräftigen Kinnhaken, ehe
seine Faust den Solarplexus des zweiten traf. Der erste Mann wich schwankend
zurück, der zweite sank auf der Zufahrt auf die Knie, und schnappte nach Luft.
Harry hob ihn am Kragen hoch und warf ihn auf den Rasen. Ein paar weitere
Bedienstete hatten sich an der Tür
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