Anne Gracie
drohte
ihn zu überwältigen. Verdammt, er wäre fast imstande, den Mann wirklich zu
entmannen, anstatt nur damit zu drohen.
Aber es war
Gabriel, der jetzt wie ein Berserker durch das Tor ritt und laut brüllte. Ehe
Harry sich dessen versah, war sein Bruder vom Pferd gesprungen und zerrte ihn
von seinem Gegner weg. Sir Irwin sackte schwer atmend in die Knie.
„Lass mich
los“, fuhr Harry Gabriel an. „Er ist nicht tot.“
„Noch
nicht, aber ...“
Mehr Leute
kamen durch das Tor geritten. Nash sprang von seinem Pferd und hielt Harry
ebenfalls fest. Und dann – Harry traute seinen Augen nicht – Marcus.
Ausgerechnet.
„Was zum
Teufel ...?“ Harry schüttelte die Hände seiner Brüder ab. „Was macht ihr
denn alle hier?“ Überall waren jetzt Pferde, die Bediensteten öffneten
wieder die Haustür und Passanten spähten durch das Tor. Sir Irwin kauerte immer
noch nach Luft schnappend auf der Erde.
„Wir retten
dich vor dir selbst“, erwiderte Gabriel.
Sir Irwin
stand mühsam auf und schleppte sich zur Kutsche. Harry wollte sich auf ihn
stürzen, doch Gabriel hielt ihn zurück.
„Lass
ihn.“
„Sosehr du
dir das auch wünschst – und verdient hätte er es allemal –, du darfst ihn nicht
umbringen“, fügte Nash hinzu.
Harry
starrte Nash an, als wären ihm plötzlich zwei Köpfe gewachsen. „Das hatte ich
auch gar nicht vor.“
Nash zeigte
auf Harrys Mantel, der, wie er erst jetzt bemerkte, voller Blut war. „Es sah
aber ganz danach aus.“
Harry stieß
einen verächtlichen Laut aus. „Ihr Diplomaten! Das ist doch nur ein bisschen
Blut. Ich wollte dem Kerl die Ab reibung verpassen, die er verdient hat. Und
danach wollte ich ihn eigentlich entmannen.“
„Vorsicht!
Hinter Ihnen!“
Harrys und
Gabriels Instinkte waren jahrelang im Krieg geschärft worden. Beide duckten
sich gleichzeitig und wirbelten herum. Eine Kugel zischte nah an Harrys Ohr
vorbei. Er vernahm ein grelles Wiehern. Sabre bäumte sich auf und schlug wild
mit den Vorderhufen. An seiner Flanke bildete sich ein feines Blutrinnsal.
Sir Irwin hielt
in jeder Hand eine Pistole. Diejenige, die er abgefeuert hatte, ließ er fallen
und wechselte die andere in die rechte Hand.
„Wo hat er
die denn her?“, fragte Nash und versuchte Harry – sehr zu dessen Verdruss
– hinter sich zu ziehen.
„Aus der
Kutsche.“ Marcus ging bereits auf Sir Irwin zu, der die Pistole immer noch
auf Harry richtete. „Lassen Sie sie fallen!“, befahl er.
Sir Irwin
tat nichts dergleichen. „Sie haben meine Zähne ruiniert, Sie Schuft! Dafür
werde ich Sie umbringen!“
„Und Sie
werden hängen, wenn Sie das tun“, stellte Marcus fest. Sir Irwins Blick
flackerte. „Ich bin grundlos angegriffen worden. Dafür habe ich Zeugen.“
„Ich bin
der Earl of Alverleigh und Magistrat. Wenn Sie den Abzug betätigen, werden Sie
hängen, das verspreche ich Ihnen.“
„Und bevor
Sie hängen, werden meine Brüder und ich Sie entmannen“, rief Harry.
Der
Pistolenlauf schwankte leicht. „B...Brüder?“ Wie gehetzt sah Sir Irwin
zwischen ihnen hin und her und begann, langsam zurückzuweichen. „Sie kriegen
mich nicht, niemals. Bleiben Sie zurück, bleiben Sie alle zurück!“ Mit
immer noch auf sie gerichteter Pistole stolperte er rückwärts.
„Ich lasse
ihn nicht entkommen!“, knurrte Harry und machte einen Satz in Sir Irwins
Richtung. Der fluchte und drückte ab.
„Harry!“,
schrie Gabriel.
Harry
schüttelte sich. „Der Schurke hat vorbeigeschossen.“
Sir Irwin
rannte hinaus auf die Straße, Harry nahm die Verfolgung auf.
Es gab ein
lautes Geräusch und jemand schrie durchdringend auf.
„Was zum
...?“ Harry blieb abrupt stehen.
Eine
schwere Kutsche stand quer auf der Straße, die Pferde bäumten sich auf und
schlugen aus. Harry sprang hoch, packte das eine der beiden
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