Anne Gracie
zu einem Ausritt im Park. Und natürlich niemals
zu einem Ball, denn mit seinem verkrüppelten Bein gab er auf dem Tanzparkett
keine gute Figur ab.
„Reden?“, wiederholte Ethan
verblüfft. „Ach so, ja, ich vergaß, du bist berühmt für deine Redekunst, nicht
wahr?“ Harry warf ihm einen vernichtenden Blick zu. Ethan lachte und
tätschelte ihm die Wange. „Du bist so beredt wie ein Baumstumpf, mein Junge,
aber wenigstens wussten die Damen deine anderen Qualitäten zu schätzen.“
Harry
wiegelte ab. „Das waren reine Bettgeschichten.“ Sie mochten zwar Damen
gewesen sein, aber sie hatten ihn nie wie einen Gleichrangigen behandelt, wie
einen Gentleman. Nur wie den Bastard eines Gentlemans.
Ethan seufzte
schwer. „Reine Bettgeschichten, wie? Das ist wirklich schrecklich und kaum zu
ertragen.“
Harry
musste wider Willen lächeln. „Nein, aber es war anstrengender, als du
denkst.“
Ethan
bedachte ihn mit einem vielsagenden Blick. „Zwangsläufig, bei der Anzahl von
Frauen.“
Sie mussten
beide lachen und ritten eine Weile schweigend weiter. „Jede von ihnen war
verheiratet“, bekannte Harry schließlich.
„Nun, das
ist ja auch nur vernünftig, nicht wahr? Du würdest doch sicher keine Jungfrau
entehren wollen, oder? Ich bin sicher, diese feinen Londoner Damen hatten ihren
Ehemännern gegenüber ihre Pflicht erfüllt und einen oder zwei Erben zur Welt
gebracht; was ist also schon dabei, wenn sie danach ein bisschen Spaß mit einem
gut aussehenden jungen Kerl wie dir hatten?“
Harry
dachte darüber nach. „Sie haben vor dem Altar ein Gelübde abgelegt,
Ethan.“
„Schon,
aber wahrscheinlich hatten sie dabei kein Mitspracherecht. Du weißt doch, wie
das bei den Adeligen ist – da werden solche Dinge arrangiert. Nur Bauern wie
ich haben das Glück und den Luxus, aus Liebe heiraten zu dürfen.“
Harry
nutzte die Gelegenheit, das Thema zu wechseln. „Wenn das so ein Glück ist,
Ethan, warum hast du dann nie geheiratet?“
„Ich war
bislang zu beschäftigt damit, für den armen verrückten König in den Krieg zu
ziehen. Aber mach dir keine Sorgen, ich habe bereits ein bestimmtes Mädchen im
Auge. Noch ehe das Jahr um ist, bin ich verheiratet, darauf kannst du
wetten.“
„Du? Mit
wem?“ Harry war überrascht. Er konnte sich nicht daran erinnern, Ethan in
der letzten Zeit mit einem Mädchen gesehen zu haben. „Kenne ich sie?“
„Damit
würde ich schon zu viel verraten, und das tue ich erst, wenn das Mädchen selbst
damit einverstanden ist.“ Er sah Harry an und lächelte etwas zerknirscht.
„Sie ist kein so unkompliziertes Mädchen wie deine Londoner Damen – ich muss
mich richtig anstrengen, ihr den Hof zu machen, meiner Kleinen.“
„Anstrengen?
Den Hof machen?“ Harry konnte nicht fassen, dass sein Freund das offenbar
ernst meinte. Wenn Ethan sich wirklich mit einer Frau traf, wäre es Harry doch
mit Sicherheit aufgefallen.
„Ja, für
dich sind das zweifellos Fremdworte, mein hübscher Junge, aber wir weniger von
der Natur Begünstigten müssen unserer Zukünftigen tatsächlich den Hof machen.
Mittlerweile habe ich allerdings einige Übung darin. Soll ich dir ein paar
Tipps geben, damit du vielleicht sogar mal einer vornehmen Adeligen den Hof
machen kannst?“
Harry
rümpfte die Nase. „Ich habe keine Zeit, lange um eine Frau zu werben, und ich
beabsichtige auch nicht, eine vornehme Adelige zu heiraten, die mich schon nach
wenigen Jahren zum Hahnrei macht. Ich habe meine Tante gebeten, eine Braut aus
der Mittelschicht für mich zu suchen, dort hat man höhere Moralvorstellungen
als beim Adel und achtet auf Anstand und Ehre.“
„Aber es
soll immer noch eine Zweckehe werden?“
„Wahrscheinlich.“
Ethan
schürzte nachdenklich die Lippen. „Ich bin ja nur
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