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Anne Rice - Pandora

Anne Rice - Pandora

Titel: Anne Rice - Pandora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pandora
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erwähnte ich ganz nebenbei, dass der Mann selbst einen Stein zu seinem Glauben bekehren könne, eine so mächtige Ausstrahlung habe er.
    »Wie kannst du deine Zeit mit so etwas verplempern!«, rügte Marius. »Christen! Die bilden nicht einmal eine Kultgemeinschaft! Einige verehren Johannes, andere Jesus. Sie bekämpfen sich untereinander! Siehst du nicht, was dieser Paulus getan hat?«
    »Nein, was denn?«, fragte ich. »Ich habe nicht gesagt, dass ich mich ihnen anschließen will. Ich habe nur gesagt, dass ich ihn mir angehört habe. Wem schadet das etwas?«
    »Dir, deinem Geist, deinem seelischen Gleichgewicht, deinem gesunden Menschenverstand. Du gefährdest dich durch die albernen Dinge, für die du dich interes-sierst. Und um ehrlich zu sein, du verletzt auch das Prinzip der Wahrheit!« Aber das war erst der Anfang.
    »Ich werde dir etwas über diesen Paulus erzählen«, fuhr er fort. »Er hat weder Johannes, den Täufer, gekannt noch den Galiläer Jesus. Die Juden haben ihn aus ihrem Kreis verstoßen. Beide, Jesus und Johannes, waren Juden! Und deshalb wendet sich Paulus nun an alle Gruppen, an Juden wie Christen, an Römer und Griechen, und sagt: ›Ihr braucht den jüdischen Vorschriften nicht mehr zu folgen. Vergesst die großen Feste in Jeru-salem. Vergesst die Beschneidung. Werdet Christen.«
    »Ja, das stimmt«, sagte ich aufseufzend.
    »Diese Religion anzunehmen ist sehr einfach«, sprach Marius weiter. »Es ist ein Klacks. Du brauchst nur zu glauben, dass dieser Mann von den Toten auferstanden ist! Und ganz nebenbei, ich habe die zugänglichen Texte durchgekämmt, die zurzeit die Märkte überschwemmen.
    Hast du sie gelesen?«
    »Nein, ich staune, dass dir deine Zeit nicht zu schade war für diese Untersuchung.«

    »In den Schriften derer, die Johannes und Jesus gekannt haben, finde ich kein Zitat, in dem auch nur einer der beiden behauptet, von den Toten aufzuerstehen, oder dass jeder, der an sie glaube, ein Leben nach dem Tod erlange. Das hat erst Paulus hinzugefügt. Was für ein verlockendes Versprechen! Und du solltest deinen Freund Paulus über das Thema Hölle reden hören.
    Welch grausame Vorstellung – dass ein fehlbarer Mensch so schreckliche Sünden begehen kann, dass er in alle Ewigkeit brennen muss.«
    »Er ist nicht mein Freund. Du deutest zu viel in meine beiläufigen Bemerkungen hinein. Warum erregst du dich so?«
    »Ich sagte dir doch, mir ist wichtig, was wahr, was vernünftig ist!«
    »Also, etwas haben diese Christen an sich, das du übersehen hast; ihre Zusammenkünfte sind von euphori-scher Liebe beseelt, und sie glauben an Hochherzigkeit –
    «
    »Oh, nicht schon wieder! Willst du mir sagen, das sei gut?«
    Ich antwortete nicht.
    Er wandte sich schon wieder seiner Arbeit zu, als ich anfing zu reden.
    »Du hast Angst vor mir«, sagte ich zu ihm. »Du hast Angst, ich könnte mich von jemandem mit einem starken Glauben hinreißen lassen und dich verlassen. Nein.
    Nein, das ist nicht richtig. Du hast Angst, dass es dich selbst trifft. Dass die Welt dich irgendwie verlocken könn-te, in sie zurückzukehren, so dass du nicht mehr hier mit mir lebst, du, der überlegene römische Einsiedler auf seinem Beobachtungsposten, sondern dass du in die Welt zurückkehrst auf der Suche nach dem irdischen Trost menschlicher Gemeinschaft und Nähe, vielleicht sogar der Freundschaft mit Sterblichen, dass sie dich als einen von ihnen anerkennen, wenn du auch nicht zu ihnen gehörst!«
    »Pandora, du redest Blödsinn.«
    »Behalte deine stolzen Geheimnisse für dich«, sagte ich, »aber ich habe trotzdem Angst um dich, das gebe ich ehrlich zu.«
    »Angst um mich? Und warum?«, drängte er.
    »Weil du nicht einsiehst, dass alles vergeht, dass alles nur künstlich ist! Dass selbst Mathematik und Logik und Gerechtigkeit keine ewige Bedeutung haben!«
    »Das ist nicht wahr«, sagte er.
    »Oh, doch! Auch für dich wird eine Nacht kommen, in der du die Erfahrung machst, die ich machen musste, als ich in Antiochia ankam – ehe du mich gefunden hast, vor dieser Wandlung, die alles auf ihrem Weg fortfegen sollte.
    Du wirst eine Dunkelheit erleben«, fuhr ich fort, »eine so totale Dunkelheit, wie sie die Natur nirgends auf Erden und zu keinem Zeitpunkt kennt. Nur die menschliche Seele kennt sie. Und sie nimmt kein Ende. Und ich bete, dass deine Logik und deine Vernunft dir Kraft dafür geben, wenn du nicht länger vor ihr fliehen kannst, wenn du erkennst, dass sie dich ringsum einschließt.«
    Er warf mir

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